Auf offener Straße Mann erschießt seine Ex-Geliebte

Düsseldorf (RP). Am Dienstag kam es in Düsseldorf zum tödlichen Ende eines Beziehungsdramas. Ein verheirateter Zahntechniker ermordete seine frühere Freundin (25) und tötete sich anschließend selbst. Die Polizei geht davon aus, dass der 54-Jährige die Trennung nicht verkraftet hatte.

Schießerei auf offener Straße
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Dienstag, 9Uhr: Über die Grafenberger Allee schiebt sich der morgendliche Berufsverkehr. Irina H., 25, steuert zu Fuß auf das Haus Nummer 159 zu. Dort, in Deutschlands größter gesWirtschaftskanzlei und Unternehmensberatung Rölfs &Partner, macht die Studentin seit drei Monaten ein Praktikum.

Die Empfangsdame der Kanzlei sieht, dass Irina nicht allein ist: Drago S., 54, folgt ihr. Nicht zum ersten Mal. Seit der Serbo-Montenegriner, der auch einen deutschen Pass besitzt, herausfand, wo seine Ex-Geliebte arbeitet, hat er sie öfter abgepasst. Durch die Glastür im Foyer beobachtet die Frau einen Streit. Sie sieht, wie Drago S. Irina an den Hals packt. Wie er nach der Waffe greift. Dann hört sie die Schüsse.

Gegenüber telefoniert eine Hausfrau mit einer Freundin, als sie das kurze dumpfe Knallen hört. Sie geht ans Fenster. "Ich sah, wie erst der Mann, dann die Frau zu Boden gingen. Aus dem Haus kam eine Frau gerannt.” Es ist die Empfangsdame, die sich über die blutüberströmte Irina beugt. Um sie wird sich später ein Notfallseelsorger kümmern.

Mehrere Augenzeugen alarmieren Polizei und Rettungsdienst. Der Versuch, Drago S. am Tatort wieder zu beleben, scheitert. Er hat sich offensichtlich in den Kopf geschossen. Irina H. ­ mindestens eine Kugel hat sich durch ihren Oberkörper gebohrt ­ wird ins Marienhospital gebracht. Um 10.35 Uhr erliegt sie dort ihren Verletzungen. Wenig später wird ihr toter Mörder in die Gerichtsmedizin gebracht.

Knapp zweieinhalb Stunden nach der Alarmierung weiß der Leiter der Mordkommission, Wolfgang Siegmund, dass die Polizei erst kürzlich mit Opfer und Täter zu tun hatte. Sein Kollege Wilhelm Schwerdtfeger forscht nach ­ mit erschütterndem Ergebnis:

Am 13. August, kurz nach 180fUhr, war die Polizei in ein Studentenwohnheim in Bilk gerufen worden. Bedrohliche Geräusche aus der Wohnung der aus den ehemaligen GUS-Staaten stammenden Irina hatten Nachbarn alarmiert. An diesem Abend berichtete die junge Frau den Polizisten weinend davon, dass Drago S. das Ende ihrer Beziehung nicht wahr haben wolle, dass er ihr nachstelle, sie verfolge und auch schon während ihrer zweijährigen Liebschaft gewalttätig war.

Sie erzählte, dass sie sich nicht gegen ihn wehren konnte, als er ihr an diesem Abend aufgelauert hat, dass sie zu ihm ins Auto stieg, um ein letztes Mal zu reden. Sie sagte den Kriminalbeamtinnen, dass Drago S. statt zu reden sie zwei mal vergewaltigt hat. Und sie weigert sich beharrlich, Anzeige gegen den verheirateten Mann zu erstatten, der einen Sohn hat, der nur wenig jünger ist als sie selbst, und mit seiner Frau ein zahntechnisches Labor betrieb.

"Was würde dann mit ihm geschehen”, fragte sie und Schwerdtfeger weiß von seinen Kollegen: "Sie hatte Angst vor ihm. Aber sie hatte offensichtlich auch Angst um ihn.” Tagelang versuchten Beamtinnen des Kommissariats für Sexualdelikte, Irina H. zu erreichen. Doch die meldete sich nicht mehr.
Die Ermittlungsakte wurde an die Staatsanwaltschaft geschickt. Dort kam sie am Dienstag an. Da waren Opfer und Täter bereits tot.

Nicht zu verhindern?

Hätten Mord und Selbstmord auf der Grafenberger Allee verhindert werden können? Staatsanwalt Ralf Herrenbrück glaubt es nicht. "Selbst wenn die Akte von der Polizei schon früher beim zuständigen Kollegen gewesen wäre ­ mit großer Wahrscheinlichkeit hätte das nicht zu einer Verhaftung von Drago S. geführt.”

Die Ermittler des Kriminalkommissariats\x0f12, zuständig für "Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung” hatten vergeblich versucht, Irina H. zu einer Strafanzeige zu bewegen, nachdem sie am 13.\x0fAugust den Polizisten, die ihre Nachbarn geholt hatten, von der Vergewaltigung berichtet hatte. "Sie hat die Polizei nicht einmal selbst geholt, hat immer wieder betont, dass sie keine Polizei wolle und sich auch nicht vernehmen lassen will”, berichtete Kripo-Chef Wilhelm Schwerdtfeger. Sogar die gynäkologische Untersuchung hatte Irina H. abgelehnt. "Dazu können wir niemanden zwingen.”

Ohne Unterstützung des Opfers ­ der einzigen Zeugin ­ hätten die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft kaum gerichtsfeste Beweise zu Tage gebracht. "Das hätte sicher nicht für einen Haftbefehl gereicht.”

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