Erwin Rommel Militärisches Genie mit Schwächen

Düsseldorf · War der Feldmarschall ein genialer Taktiker oder ein rücksichtsloser Drauifgänger? Das Bild des Soldaten Erwin Rommel ist ein zwiespältiges und bis heute von der NS-Propaganda verzerrt.

Szenen aus dem Film "Rommel"
9 Bilder

Szenen aus dem Film "Rommel"

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Die militärischen Anfangserfolge des Erwin Rommel in Nordafrika haben Freund und Feind verblüfft. Dabei ging der General extrem unkonventionell vor: Mit Flugzeugmotoren auf Lastwagen ließ er Wüstenstaub aufwirbeln und täuschte den Briten so an falscher Stelle große Angriffsvorbereitungen vor.

Er narrte den Feind mit Panzerattrappen aus Sperrholz oder ließ Truppen bei Paraden gleich mehrfach vorbeimarschieren, um Spionen nicht vorhandene Kampfstärke vorzugaukeln. Der mutige General landete mit seinem kleinen Flugzeug Fieseler "Storch" auch immer wieder an Brennpunkten der Front, um seine Soldaten anzuspornen — ein scheinbar vorbildlicher Truppenführer ohne jede Schwäche.

Einfluss der NS-Propaganda

Doch dieses Rommel-Bild ist nicht haltbar, sondern stellt den Offizier gleich aus drei Gründen überhöht dar: Die NS-Propaganda glorifizierte einen schneidigen Offizier aus dem Volk, der — anders als die Adolf Hitler suspekten Adligen im Generalstab — selbst als "Frontschwein" im Ersten Weltkrieg gekämpft und gelitten hatte. Die Briten wiederum konnten mit einem scheinbar unüberwindlichen Rommel ihre Misserfolge in Afrika schönen. Und das Nachkriegs-Deutschland hatte in ihm einen General, der, als Widerstandskämpfer akzeptiert, als "politisch korrektes" Vorbild für die Bundeswehr herangezogen werden konnte.

Dabei war Rommel mit seiner risikofreudigen Art nicht einzigartig, sondern eher typisch für das Vorgehen der Wehrmacht zu Kriegsbeginn. Auch andere siegreiche Operationen wie die Erstürmung des belgischen Sperrforts Eben Emael aus der Luft, der Angriff auf den norwegischen Hafen Narvik oder die Luftlandung auf Kreta bauten auf den Überraschungseffekt, wurden mit höchstem Risiko durchgezogen und drohten im Verlauf der Gefechte zu scheitern.

Schnelligkeit und Überraschung

Rommel waren Schnelligkeit und Überraschung wichtiger als sorgfältige Planung: Die überdehnten Nachschubwege oder Lageänderungen während der Kämpfe ignorierte er häufig, er machte bereits in der Vorbereitung grobe Fehler, er ging mit seinen Generalen rüde um und setzte seine Soldaten ohne jede Rücksicht auf Verluste ein — die daraus resultierenden Misserfolge wurden indes nicht thematisiert, wollte man doch Rommels Heldenstatus nicht ankratzen.

Sein unabgesprochenes Vorgehen in Nordafrika hatte sogar strategische Auswirkungen: Rommels Auftrag lautete, die zusammenbrechende Front der italienischen Verbündeten zu stabilisieren und lediglich örtlich begrenzte Gegenstöße durchzuführen. Stattdessen nutzte der Offizier 1941 die Gunst der Stunde und ging zum Gegenangriff Richtung Kairo über, was die Wehrmachtsführung zwang, immer neue Truppen, Waffen und Material über das Mittelmeer nachzuschieben — besonders im Russland-Feldzug fehlten diese Verbände und schwächten diesen ungleich wichtigeren deutschen Angriff. Hitler soll dies dem Feldmarschall heftig zum Vorwurf gemacht haben.

Gebirgsjäger-Oberleutnant

Doch Rommel, der seinen Ruhm bereits 1917 im Ersten Weltkrieg als Gebirgsjäger-Oberleutnant mit einen kühnen Angriff an der Italien-Front begründete, war kein weitsichtiger Stratege, sondern ein brillanter Taktiker auf dem Gefechtsfeld, wo er immer wieder die Nähe seiner Soldaten suchte.

So war er in Afrika oft irgendwo an der Front unterwegs und besuchte irrtümlich sogar einmal ein feindliches Lazarett, was die Briten so irritierte, dass sie vergaßen, den deutschen General festzunehmen — eine der vielen Legenden, die sich um den "tollkühnen Wüstenfuchs" ranken. Was die Landser vor Ort stark motivierte, brachte Rommels Stab indes zur Verzweiflung und gefährdete die Gesamtoperationen, weil der Befehlshaber über viele Stunden nicht mehr erreichbar war.

Schwer nachvollziehbar sind Rommels Versäumnisse im April 1941 beim Angriff auf die Festung Tobruk: Er griff nicht auf die Karten der Italiener zurück, die die Stellungen selbst angelegt hatten, ließ ohne vorherige Aufklärung angreifen, führte Panzer in Minenfelder und befahl der Infanterie stur Attacken über deckungsloses Gelände, obwohl das Scheitern absehbar war.

Immer auf die Offensive gesetzt

Rommel setzte auch in scheinbar aussichtsloser Situation auf Offensive. Sorgfältige Stabsarbeit war nicht sein Ding: Die berechtigten Bedenken der Nachschuboffiziere wischte er ebenso vom Tisch wie die Ratschläge der wüstenerfahreneren Italiener, was zum Ausfall zahlreicher Gefechtsfahrzeuge und zu großen Engpässen bei Verpflegung, Benzin und Munition führte. Doch gerade die irrwitzig erscheinenden Vorstöße Rommels überrumpelten zunächst die konventionell denkenden britischen Generalstabsoffiziere.

Rommels unerwartete Siegesserie war zwar spektakulär, aber nicht von Dauer. Schließlich gab die drückende Überlegenheit der Alliierten den Ausschlag — im Sommer 1942 bei El Alamein war das ausgeblutete deutsche Afrikakorps am Ende. Dem Feldherrn Rommel schadete die Niederlage nicht. Er galt Freund und Feind als ritterlicher Kämpfer, der in Nordafrika einen "sauberen" Krieg geführt hatte.

Der Neid anderer Generale auf Hitlers Günstling erschwert die Bewertung des Vorwurfs, der ehrgeizige Rommel sei charakterschwach gewesen. So habe er die eigenen Führungsfehler stets seinen Offizieren angelastet. Eine förmliche Rüge des Oberbefehlshabers des Heeres wegen der respektlosen Behandlung seiner Kommandeure im Sommer 1941 scheint dies allerdings zu bestätigen.

(RP/csi)
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