Prozessbeginn in Nürnberg Mutmaßlicher Reichsbürger bestreitet Mordvorwürfe

Nürnberg · In Nürnberg steht ein mutmaßlicher Reichsbürger vor Gericht. Er soll einen Polizisten erschossen haben. Seine Verteidiger streiten die Vorwürfe ab und üben Kritik an der Polizei.

 Der Angeklagte im Landgericht Nürnberg-Fürth (Bayern).

Der Angeklagte im Landgericht Nürnberg-Fürth (Bayern).

Foto: dpa, dka abl

Vor dem Landgericht Nürnberg-Fürth hat am Dienstag der Mordprozess gegen einen mutmaßlichen Anhänger der sogenannten Reichsbürger begonnen. Dieser soll im Oktober 2016 im fränkischen Georgensgmünd bei einer Waffenrazzia einen Polizisten erschossen haben. Die Staatsanwaltschaft wirft dem 49 Jahre alten Wolfgang P. Mord vor. Außerdem ist P. wegen dreifachen versuchten Mordes und zwei Fällen von gefährlicher Körperverletzung angeklagt, weil er weitere Schüsse auf andere Polizisten abgegeben haben soll.

Der Angeklagte lehnte es zum Auftakt der Verhandlung ab, Angaben zu seiner Person zu machen. Er sei anwesend, jeder wisse, wer er sei, erklärte er lediglich. Seine Verteidiger hatten unmittelbar vor Prozessbeginn bestritten, dass ihr Mandant jemanden töten wollte. Ihr Mandant sei auch kein Anhänger der Reichsbürger, sagte Verteidigerin Susanne Koller. "Als solcher würde er sich nicht bezeichnen."

Die Schüsse seien gefallen, weil ihr Mandant bei einem "dilettantisch" ausgeführten Polizeieinsatz durch einen Angriff auf sein Haus von drei Seiten im Schlaf überrascht worden sei. Er habe nicht gewusst, dass es sich um Polizisten handle. "Einen Mordtatbestand können wir beim besten Willen nicht erkennen", sagte Koller. Der Polizeieinsatz von Oktober 2016 sei "unnötig" gewesen. Die Polizei hätte ihren Mandanten beschatten und stellen können, als er unbewaffnet gewesen sei.

Ein psychiatrischer Gutachter berichtete, auch ihm gegenüber habe P. eine Tötungsabsicht bestritten. Er habe nach seinen Angaben gedacht, dass der Dritte Weltkrieg ausbreche und deshalb geschossen. Nach den islamistisch motitiverten Anschlägen von Würzburg und Ansbach habe er das Gefühl gehabt, die Gefahr komme näher. Seine etwa 30 Waffen habe er zur Selbstverteidigung gehabt. P. habe auch tausend Liter Diesel und Lebensmittel für etwaige Notlagen in seinem Haus gehortet.

Nach Ansicht der Staatsanwaltschaft wollte der Angeklagte bei dem Einsatz möglichst viele Polizisten verletzen oder töten. Dafür habe er sich in seiner Wohnung hinter einem Mauereck verschanzt — mit Schussmöglichkeit auf seine Wohnungstür. Er habe dabei eine Schutzweste getragen — die geladene Waffe schussbereit. Er habe abgewartet, bis er möglichst viele Beamte habe treffen können — und dann durch die teilverglaste Tür elfmal gefeuert.

Der Rechtsbeistand der Familie des erschossenen Polizisten, Monika Goller, nannte es "überhaupt nicht glaubwürdig", dass P. kein Reichsbürger sei. Auch die Behauptung, er habe den Polizeieinsatz als solchen nicht erkannt, sei eine Schutzbehauptung. Dies ergebe sich auch aus den Akten.

Bei dem Einsatz sollten P. die Waffen abgenommen werden, weil er wegen seiner Anhängerschaft bei den Reichsbürgern als unzuverlässig eingestuft wurde. "Reichsbürger" erkennen die Bundesrepublik nicht als Staat an. Stattdessen behaupten sie, das Deutsche Reich bestehe fort. Sie sprechen Grundgesetz, Behörden und Gerichten die Legitimität ab und akzeptieren keine amtlichen Bescheide.

Für den Prozess sind zunächst zwölf Verhandlungstage bis Mitte Oktober angesetzt. Seit den Schüssen von Georgensgmünd gibt es bundesweit ein schärferes Vorgehen gegen die Bewegung. Im Juni beschloss die Innenministerkonferenz, dass die zu diesem Zeitpunkt deutschlandweit auf 12.600 Reichsbürger bezifferte Szene entwaffnet werden soll.

(wer/beaw/AFP/dpa)
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