Wiederaufnahmeverfahren Nach fünf Minuten konnte Gustl Mollath nicht mehr schweigen

Sieben Jahre in der Psychiatrie haben das Misstrauen von Gustl Mollath in die deutsche Justiz geprägt. Seit Montag kämpft der 57-Jährige in seinem Wiederaufnahmeverfahren um seine Reputation.

 Gustl Mollath am Montag auf dem Weg zum Gericht.

Gustl Mollath am Montag auf dem Weg zum Gericht.

Foto: dpa, ebe kno

Fünf Minuten lässt Gustl Mollath das Gericht seinen Job machen, Anwesenheiten feststellen und Formalia klären. Dann platzt es aus dem 57-Jährigen heraus. "Entschuldigung, dürfte ich etwas sagen?", unterbricht er höflich Richterin Elke Escher.

"Ich bitte, dass Professor Nedopil als offensichtlicher psychiatrischer Gutachter den Raum verlässt." Der gegen seinen Willen in der Psychiatrie untergebrachte ehemalige Auto-Restaurator erträgt nicht mehr die Anwesenheit eines Psychiaters im selben Raum. Über sieben Jahre wurde Mollath in einer psychiatrischen Anstalt festgehalten.

Ihm wurden Wahnvorstellungen vorgeworfen, weil er im Zuge eines Rosenkrieges seiner damaligen Frau, einer Beraterin der HypoVereinsbank, in Anzeigen die Beteiligung an Schwarzgeldgeschäften in Millionenhöhe vorgeworfen hatte. Erst 2012 kam ein interner Bankbericht an die Öffentlichkeit, laut dem Mollath im Kern Recht hatte. Mit seinem Wunsch nach dem Rauswurf des Psychiaters Norbert Nedopil scheitert Mollath am Montag zum Auftakt des Wiederaufnahmeverfahrens vor dem Landgericht Regensburg zwar. Doch schon am ersten Prozesstag deutet sich an, dass es die einzige Niederlage des 57-Jährigen in dem bis August angesetzten Verfahren werden könnte.

Gericht und Staatsanwaltschaft weisen von sich aus darauf hin, dass die Mollath vorgeworfenen Taten - darunter vor allem eine von Mollath bestrittene gefährliche Körperverletzung seiner Ex-Frau im Jahr 2001 - wegen der vielen inzwischen vergangenen Jahre schwer aufzuklären sein dürften. Und dass, falls das Gericht die Taten für nicht mehr aufklärbar hält, auch gar nicht die Schuldfähigkeit Mollaths durch Gutachter Nedopil geprüft werden muss.

Ob es zu einer Begutachtung kommen werde, sei "vollkommen offen", sagt die Richterin. Doch Mollath beruhigt dies nicht. Die Anwesenheit des Psychiaters wirke für ihn wie für andere ein Kriegstrauma. "Ich bekomme Beklemmungen und Angstzustände, die meine Verteidigungsmöglichkeit unmöglich machen", klagt der Mann, den viele Unterstützer für ein beispielloses Justizopfer halten. Dabei wirkt Mollath gefestigter als vor elf Monaten. Als er am 6. August 2013 nach sieben Jahren überraschend die Psychiatrie in Bayreuth verlassen durfte, erschien er verloren in der neuen Freiheit.

Jetzt tritt der am Rande des Prozesses von einer Gruppe Unterstützer bejubelte Mollath selbstbewusst auf, grüßt viele Prozessbeteiligte per Handschlag und schafft es - anders als bei öffentlichen Auftritten in der Vergangenheit - seinen Redefluss in Grenzen zu halten. Nur ab und zu wirken seine Äußerungen etwas verschroben. Er habe noch immer keinen festen Wohnsitz, sagt Mollath der Richterin etwa. "Wenn es Probleme gibt, dann muss man mich festnehmen." Nedopil, der auch von Mollaths Verteidiger Gerhard Strate als "bester Könner seines Fachs" bezeichnet wird, will sich nicht dazu äußern, wie er Mollath derzeit bewertet.

Der Gutachter bestreitet aber auch nicht die Vorwürfe, die ihm der Angeklagte und sein Verteidiger machen. Sie zitieren Interview-Aussagen des Experten, laut denen psychiatrische Gutachten zu 60 Prozent Fehler zu Ungunsten der Untersuchten haben. Und sie zitieren auch ein Interview des Experten in der "Süddeutschen Zeitung", in dem er sagte, dass er selbst sich nicht einem Gutachten unterziehen würde.

"Ich selbst würde so eine Prozedur übrigens nie über mich ergehen lassen." Auch Mollath lehnte diese "Prozedur" während seiner Unterbringung ab, was mit dazu führte, dass sich seine Zwangsunterbringung immer weiter verlängerte.

Im Nachhinein erscheint dies auch der Politik als zu willkürlich. Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) kündigt zum Beginn des Mollath-Prozesses an, dass die Regeln zur Zwangsunterbringung bald deutlicher gefasst werden sollen - als Konsequenz aus einer bei Mollath womöglich krass verletzten Verhältnismäßigkeit.

(DEU)
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