Skandalstück wird am Donnerstag uraufgeführt Nackte Näherinnen dürfen in die Bremer Friedenskirche

Bremen (rpo). Erst schien das Skandalstück "Die Zehn Gebote" von Regisseur Johann Kresnik keine Chance zu haben, einen Ort für die Uraufführung zu finden. Nachdem Kresnik über eine Anzeige in der Zeitung Frauen über 60 Jahre gesucht hatte, die im Stück nackt an einer Nähmaschine sitzen sollten, war es zu heftigen Protesten gekommen.

<P>Bremen (rpo). Erst schien das Skandalstück "Die Zehn Gebote" von Regisseur Johann Kresnik keine Chance zu haben, einen Ort für die Uraufführung zu finden. Nachdem Kresnik über eine Anzeige in der Zeitung Frauen über 60 Jahre gesucht hatte, die im Stück nackt an einer Nähmaschine sitzen sollten, war es zu heftigen Protesten gekommen.

Die Skandalszene wirkt bei der Probe zum Stück "Die Zehn Gebote" ganz unspektakulär. Ein Podest mit alten Nähmaschinen wird hereingeschoben. "Setzt euch rauf", ruft Regisseur Johann Kresnik sechs Statistinnen zu. "Aber nicht ausziehen." Bei der bereits ausverkauften Uraufführung am Donnerstag in der Bremer Friedenskirche werden sie hingegen ohne Kleider zu sehen sein. Genau das hatte im Vorfeld einen regelrechten Proteststurm ausgelöst, in dessen Verlauf Kresniks Inszenierung aus dem St. Petri Dom geflogen war. Dort sollte das Stück des Bremer Theaters ursprünglich aufgeführt werden.

Per Zeitungsmeldung suchte Kresnik Frauen über 60 Jahre, die sich im Dom nackt an eine Nähmaschine setzen sollten. Statistin Anita Matt kann die ganze Aufregung nicht nachvollziehen. "In fast jedem Theaterstück gibt es Nackte", sagt Matt. Sie verstehe nicht, dass so ein Aufstand gemacht werde, nur weil dieses Mal Nacktheit in der Kirche gezeigt werde. "Im Kino gibt es die 'Kalender Girls', wird sind die Nähmaschinen-Girls", sagt die Rentnerin, die bereits vor vier Jahren als nackte Statistin in einem anderen Kresnik-Stück auftrat.

Prominente Kresnik-Kritikerin ist die Hannoveraner Landesbischöfin Margot Käßmann. Nach ihrer Ansicht ist ein Gotteshaus keine geeignete Bühne für das provokante Stück. Sie sieht die Würde der Gläubigen verletzt. Gemeindemitglieder drohten mit Kirchenaustritten, es hagelte massive Proteste auch von anderen Bürgern. Die Dom-Gemeinde beugte sich schließlich und untersagte weitere Proben in dem Gotteshaus. Die evangelische Friedensgemeinde bot daraufhin ihre kleinere Kirche als Spielort an.

Kresnik kündigte nun an, selbst in der Kirche "bis an die Grenze" gehen zu wollen. "Die Leute müssen sich aufregen", sagt der Regisseur. Bei einer modernen Inszenierung der Zehn Gebote sei "keine sanfte Sache möglich". Die provokanten Szenen hätten ihren Sinn. In dem Stück soll hinterfragt werden, wie heute mit den Zehn Geboten umgegangen wird.

"Die Szene mit den nackten Näherinnen steht im Zusammenhang mit dem Gebot 'Du sollst nicht stehlen'", sagt Chefdramaturg Joachim Klement. Im Stück stehen die Näherinnen für in der Dritten Welt arbeitende Kinder, denen die Menschenwürde genommen wurde. In der Nackten-Szene sagt eine Frau am Kirchenaltar: "Ein Mädchen aus Honduras arbeitet 13 Stunden in der Nähfabrik 'Global Fashion'. Zweimal am Tag darf sie auf die Toilette. Sie hat kein Recht auf Urlaub, Rente oder Krankenversicherung."

Kresnik inszeniert die "Zehn Gebote" als Collage nach einem Libretto von Christoph Klimke. Gezeigt wird das Bürgertum, dargestellt durch neun Schauspieler in den Rollen vom Metzger bis zur Nutte, von der Richterin bis zum Soldaten. In diese Gesellschaft kommt ein farbiger Fremder, gespielt vom erst kürzlich aus der Haft entlassenen Günther Kaufmann. Auf ihn werden ungelebte Sehnsüchte, aber auch Ängste projiziert. Die Anfeindungen, der der Fremde erfährt, dürften Skandalregisseur Kresnik aber selbst auch durchaus bekannt vorkommen.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort