Neue Fragen zur Akte Mundlos NSU-Helfer soll V-Mann gewesen sein

Berlin · Die jüngsten Pannen rund um die NSU-Ermittlungen bringen das Land Berlin in schwere Bedrängnis. Jetzt soll auch noch ein NSU-Unterstützer jahrelang als Polizei-Informant gearbeitet haben. Die unangenehmen Fragen für die Ministerien, nehmen kein Ende.

Das Neonazi-Trio und seine Helfer
10 Bilder

Das Neonazi-Trio und seine Helfer

10 Bilder
Foto: dapd, BKA/Ostthueringer Zeitung

Der Einsatz eines NSU-Helfers als V-Mann bringt das Land Berlin in herbe Erklärungsnot. Der Neonazi-Untersuchungsausschuss im Bundestag forderte am Freitag Aufklärung von Berlins Innensenator Frank Henkel (CDU) und dessen Vorgänger Ehrhart Körting (SPD). Auch Verteidigungsminister Thomas de Maizière (CDU) muss sich nach der jüngsten Panne um eine Militärgeheimdienstakte weitere unbequeme Fragen gefallen lassen. Hintergrund ist die Bundeswehr-Akte des Rechtsterroristen Uwe Mundlos. Die Sorge wurde laut, das Ansehen des Rechtsstaates könne durch die Pannenserie weiteren Schaden nehmen.

NSU-Unterstützer jahrelang Polizeiinformant

Das brisante Detail aus Berlin im Fall der rechtsextremen Terrorzelle "Nationalsozialistischer Untergrund" (NSU) war am Donnerstag bekanntgeworden. Demnach war der mutmaßliche NSU-Unterstützer Thomas S. jahrelang Informant für die Berliner Polizei.

Nach einem Bericht von "Spiegel Online" war der heute 44-Jährige von Ende 2000 bis Januar 2011 als Quelle des Landeskriminalamts aktiv. Er soll seinen V-Mann-Führern mehrfach Hinweise auf die untergetauchten Mitglieder der Terrorzelle gegeben haben - 2002 auch auf deren möglichen Aufenthaltsort. Laut Bericht hatte er der Terrorzelle Ende der 90er Jahre rund ein Kilogramm TNT-Sprengstoff besorgt. Der Mann soll zwischen 1996 und 1997 auch mehrere Monate mit dem mutmaßlichen NSU-Mitglied Beate Zschäpe liiert gewesen sein.

Der Vorsitzende des NSU-Untersuchungsausschusses im Bundestag, Sebastian Edathy (SPD), verlangte umfassende Aufklärung, warum diese Informationen erst jetzt aufgetaucht seien. Dass ein mutmaßlicher Terrorhelfer über Jahre Informant für eine staatliche Behörde gewesen sei, habe eine neue Qualität, sagte er der Deutschen Presse-Agentur.
Der Unions-Obmann Clemens Binninger (CDU) sagte: "Der Sachverhalt wiegt gegebenenfalls schwerer als alles, was wir bisher über die deutschen Sicherheitsbehörden in Sachen NSU erfahren haben." Mehrere Ausschussmitglieder verlangten, auch der frühere Berliner Innensenator Körting müsse dazu Rede und Antwort stehen.

Amtsinhaber Henkel versprach Klarheit. Er werde sich besonders mit dem NSU-Ausschuss im Bundestag abstimmen, sagte der CDU-Politiker in Berlin. Nach dpa-Informationen wusste der Senator bereits seit Frühjahr von der V-Mann-Tätigkeit von Thomas S. Am Donnerstag hatte er im Abgeordnetenhaus erklärt, er habe erst jetzt davon erfahren.

Auch die Bundesregierung muss sich weiter Fragen zu ihrem Aufklärungswillen gefallen lassen. Zuletzt hatte eine Aktenpanne beim MAD für Aufregung gesorgt. Der Geheimdienst der Bundeswehr hatte bereits in den 90er Jahren eine Akte über den späteren NSU-Terroristen Mundlos angelegt. Das Verteidigungsministerium und Ressortchef de Maizière wussten seit Monaten von der Existenz der Unterlagen. An die Öffentlichkeit und den Untersuchungsausschuss gelangten sie aber erst am Dienstag.

Mundlos Personalakte

Neue Fragen wirft auch die Personalakte von Mundlos aus seiner Wehrdienstzeit Mitte der 90er Jahre auf. Das Verteidigungsministerium schaute sich die Unterlagen nach eigenen Angaben bereits im vergangenen Dezember zum ersten Mal an und übermittelte sie im März auf Anfrage an das Bundeskriminalamt und den Generalbundesanwalt. Der NSU-Untersuchungsausschuss erhielt das Papier aber erst am Donnerstag. Ein Sprecher de Maizières verwies auf ein kompliziertes rechtliches Verfahren bis zur Aktenfreigabe. Außerdem habe das Ministerium sich zunächst darauf konzentriert, Akten mit anderen Schwerpunkten für den Ausschuss herauszusuchen. Von dort kommt jedoch immer wieder Kritik an der Informationspolitik der Regierung.

Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) warnte vor einem Ansehensverlust. "Das Vertrauen in den Rechtsstaat droht angesichts der fortlaufenden Pleiten- und Pannenserie langfristig beschädigt zu werden", sagte die stellvertretende FDP-Vorsitzende "Spiegel Online". Die Sicherheitsstruktur in Deutschland müsse grundlegend überarbeitet werden.

Einen weiteren Schritt in diese Richtung kündigte das Verteidigungsministerium an. Der Bundeswehr-Geheimdienst MAD solle personell schlanker werden, sagte ein Ministeriumssprecher. Außerdem werde darüber nachgedacht, den Dienst mit Blick auf seine Aufgaben besser aufzustellen. Dies sei länger geplant und reihe sich in die anstehenden Reformen der Sicherheitsstruktur ein. Das Ministerium betonte den Willen, den MAD zu erhalten. Die Forderung nach einer Abschaffung des Militärgeheimdienstes war nach dem Aktendebakel lauter denn je geworden.

(dpa)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort