Wieder Missbrauchsverdacht Opfervertreter fordern Aus für Odenwaldschule

Frankfurt/Heppenheim · Für Adrian Koerfer ist der erneute Missbrauchsverdacht an der Odenwaldschule nicht überraschend. Das Problem sei "systemimmanent", sagt der Vorsitzende des Opfervereins "Glasbrechen". Für das südhessische Privatinternat dürfe es in seiner jetzigen Form keine Zukunft geben, sagt er, zum Schutz der Kinder, die dort wohnen und lernen.

Missbrauch-Skandal an der Odenwaldschule
11 Bilder

Missbrauch-Skandal an der Odenwaldschule

11 Bilder

Mit seinem Verein vertritt Koerfer die Opfer des sexuellen Missbrauchs von Schülern, der an der Einrichtung jahrzehntelang systematisch betrieben wurde und in seinem ganzen Ausmaß erst vor wenigen Jahren an die Öffentlichkeit kam. Mindestens 132 Opfer sind bis heute dokumentiert, Koerfer geht von mindestens 500 aus. Mit weiteren sei nun zu rechnen. Denn es habe sich nichts geändert an der abgeschiedenen Lage der Schule und der Wohnstruktur des Internats, in der Lehrer und Kinder zusammenlebten wie in Familien. Das ziehe Pädagogen mit pädophilen Neigungen an.

Im Zentrum des neuen Missbrauchsverdachts steht ein Pädagoge, der 2011 an die Schule kam. Mittlerweile gestand der Lehrer, noch vorher Kinderpornos aus dem Netz geladen zu haben. Was genau ihm darüber hinaus vorgeworfen wird, will die Staatsanwaltschaft aus Gründen des Opferschutzes nicht sagen. Sie wertet derzeit Aussagen von Schülern aus, die der Schule schon vor Monaten von "komischem" Verhalten des Mannes berichtet hatten und nun konkreter befragt wurden.

Druck auf Schulleitung wächst

Mit dem Bekanntwerden des Missbrauchsverdachts hat sich der Druck auf die Schulleitung noch einmal verschärft. Auch den Aufsichtsbehörden liegt inzwischen ein ausführlicher Bericht aller Aussagen der Schüler vor, der nun geprüft wird. Strengere Auflagen wurden bereits erlassen und weitere Reformen angemahnt. Schon im Zuge des Missbrauchs-Skandals vor einigen Jahren hatte die Schule versprochen, in ihre Strukturen Sicherungen einzubauen, um die Kinder und Jugendlichen vor Missbrauch zu schützen.

Von einer Schließung des 1910 gegründeten Internats wollen die Aufsichtsbehörden derzeit nichts wissen. Für einen solchen Schritt gebe es keinen Anlass, erklärten sowohl der zuständige Landkreis als auch Hessens Sozialministerium in Wiesbaden. "Das ist jetzt nicht die Option", sagte der stellvertretende Landrat des Kreises Bergstraße, Matthias Schimpf, am Mittwoch.

Zunächst gehe es darum, zu fragen, was innerhalb der Schule mit den ersten Vorwürfen gegen den Lehrer geschah und ob richtig reagiert wurde, fügte Schimpf hinzu. Auf eine Reform der Familienstruktur dringt der Landkreis bereits seit Jahren. Am liebsten wäre es ihm, wenn die Internatsbetreuung anstelle von Lehrern von Erziehern und Sozialpädagogen übernommen würde.

Vorerst blicken nun alle Augen auf die Staatsanwaltschaft. Denn noch bestehen die Vorwürfe, denen die Ermittler nachgehen, aus Beobachtungen von Schülern. Als nächstes sollen nun die möglicherweise betroffenen Schüler selbst befragt werden, um herauszufinden, ob es für die Behauptungen ihrer Mitschüler eine Grundlage gibt. Als sicher anzunehmen ist dabei schon heute: Wenn bei den Befragungen herauskommt, dass dem entlassenen Lehrer tatsächlich Kindesmissbrauch vorzuwerfen ist, dürfte es eng werden für die Reformschule in Heppenheim.

(dpa)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort