Analyse "Pegida" im Fakten-Check

Düsseldorf · Was von Dresden ausgeht, könnte zu einem Polit-Tsunami über Deutschland werden: Demonstrationen gegen Islamisierung. Während die Politik verdattert bis wütend reagiert, fragen sich Bürger, was dran ist an dem neuen Protest.

Pegida-Gegner und -Anhänger ziehen durch Dresden
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15. Dezember 2014: Pegida-Gegner und -Anhänger ziehen durch Dresden

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Nichts sei so stark wie eine Bewegung, deren Zeit gekommen ist. Der Satz wird dem französischen Dichter Victor Hugo (1802-1885) zugeschrieben. Gilt das auch für die neueste Bewegung unter der Buchstabenfolge "Pegida", was für "Patriotische Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes" steht? Seit geraumer Zeit und zum wiederholten Mal ziehen in Dresden Zigtausende Menschen durch die Straßen, in anderen deutschen Städten sind es deutlich weniger. Dabei tun sie kund, dass sie sich vor Überfremdung, illegaler und nicht konsequent bekämpfter Zuwanderung und vor Ohnmacht gegenüber Muslimen fürchteten. Dabei drängen sich Fragen auf:

Was bedeutet das Demonstrationsrecht?

Es ist ein Grundrecht der Verfassung, geregelt in Artikel acht. Dort heißt es: "Alle Deutschen haben das Recht, sich ohne Anmeldung oder Erlaubnis friedlich und ohne Waffen zu versammeln." In Absatz zwei gibt es eine Einschränkung, die auch für "Pegida" gilt: "Für Versammlungen unter freiem Himmel kann dieses Recht beschränkt werden."

Fragen und Antworten zu "Pegida"
Infos

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Foto: dpa, abu tmk

Was heißt das?

Dass solche Kundgebungen angemeldet werden müssen. Dass dort ein Vermummungsverbot gilt. Und dass Versammlungen aufgelöst werden können, wenn eine friedfertige Veranstaltung in eine unfriedliche umschlägt oder umzuschlagen droht.

Wie denken Deutsche über Zuwanderer?

Laut Umfrage sind 65 Prozent der Meinung, dass die Regierung nicht ausreichend auf die Sorgen der Bürger vor zu viel Zuwanderung eingeht. 28 Prozent beklagen das nicht. Gut jeder dritte Deutsche ist der Ansicht, dass sich sein Land zunehmend islamisiert.

"Pegida"-Aktivisten fühlen sich zunehmend fremd im eigenen Land. Wie ist das Verhältnis zwischen nicht-muslimischen Deutschen und Angehörigen muslimischen Glaubens?

"Pegida"-Anhänger und Gegner demonstrieren in Dresden
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"Pegida"-Anhänger und Gegner demonstrieren in Dresden

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Von den gut 80 Millionen in Deutschland lebenden Menschen gehören knapp zwei Drittel den christlichen Kirchen an. Rund 4,5 Millionen der hier Lebenden sind Muslime. Vor 20 Jahren waren es 2,7 Millionen. In Sachsen, wo die "Pegida"-Bewegung zahlenmäßig am mächtigsten erscheint, sind 0,1 Prozent der Bürger Muslime.

Wie viele der Muslime in Deutschland gelten als radikale Salafisten?

Düsseldorf: Dügida - 1000 Teilnehmer bei Gegenkundgebung
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"Pegida" in Düsseldorf: 1000 Menschen demonstrierten im Dezember dagegen

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Foto: Schaller,Bernd

Die Verfassungsschutz-Ämter gehen von 7000 Anhängern aus.

Sind diese Salafisten alle Ausländer?

Mitnichten. Etwa ein Drittel sind Deutsche, die vom christlichen Glauben zum Islam übergetreten sind.

Könnte man deutsche Salafisten ausbürgern?

Anders als extremistische, gewaltbereite Ausländer dürfen Deutsche nicht ausgebürgert werden. Das steht im Grundgesetz, Artikel 16: "Der Verlust der Staatsangehörigkeit darf nur aufgrund eines Gesetzes und gegen den Willen des Betroffenen nur dann eintreten, wenn der Betroffene dadurch nicht staatenlos wird."

Liegen die Zuwanderer dem deutschen Steuerzahler auf der Tasche?

Laut Bertelsmann-Studie von November haben die 6,6 Millionen hier lebenden Menschen ohne deutschen Pass mehr an Steuern und Sozialabgaben entrichtet, als sie von Sozialtransfers profitierten. Die Ausländer haben einen Überschuss von 22 Milliarden Euro erwirtschaftet: durchschnittlich 3300 Euro pro Jahr und Kopf.

Wie viele muslimische Gotteshäuser gibt es in Deutschland?

Es gibt 2200 Moscheen.

Dominieren vollverschleierte Musliminnen zunehmend das Straßenbild?

Die Erfahrung lehrt, dass die insgesamt geringe Zahl der Burka-Trägerinnen in bestimmten Großstadtquartieren, oft in teuren Einkaufsstraßen zugenommen hat.

Sind die Flüchtlings-Übergangsheime zu komfortabel?

Meist sind die Unterkünfte, wogegen auch nichts einzuwenden ist, "gesetzlich" eingerichtet: Tisch, Stuhl, Bett, WC, Dusche. Von Luxus keine Spur.

Gibt es eine Null-Toleranz-Politik gegenüber straffälligen Zuwanderern?

Hier trifft "Pegida" einen wunden Punkt. Die Abschiebung krimineller Zuwanderer lässt zu wünschen übrig. Jedoch ist das auch Auswirkung unseres Rechtsstaats mit einer zur Gründlichkeit verpflichteten Verwaltungsgerichtsbarkeit. Nicht selten lassen es Landesregierungen an Schneid fehlen. So will die neue rot-rot-grüne-Regierung Ramelow in Thüringen nicht anerkannte Asylbewerber aus sicheren Ländern wie Serbien, Montenegro oder Mazedonien nicht sofort in ihre Herkunftsstaaten zurückführen.

Werden prozentual mehr Ausländer als Deutsche kriminell?

Der Anteil von Ausländern an Tatverdächtigen bei Delikten gegen Leib, Leben, Eigentum liegt prozentual über dem Anteil von Ausländern an der Wohnbevölkerung in Deutschland (rund acht Prozent).

Sind unter den "Pegida"-Demonstraten viele Neonazis und Fremdenfeinde?

Man schaut erfahrungsgemäß den Menschen nicht hinter die Stirn. Gewiss ist jedoch, das sich die rechtsextreme NPD und sonstige Neonazi-Gruppen unter die "Pegida"-Protestler mischen.

Könnte Deutschland auf Zuwanderer verzichten, ohne Schaden zu nehmen?

Deutschland als eines der weltweit am schnellsten alternden Länder ist nach Meinung aller seriösen Wirtschaftsexperten auf Zuwanderer dringend angewiesen. In einem sind sich die Fachleute jedoch mit "Pegida" einig: Die Zuwanderer sollten möglichst qualifiziert sein. Dieser Konsens besteht: kein Freibrief für unbegrenzte Zuwanderung ins deutsche Sozialsystem.

(RP)
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