Pfingsten Happy Birthday, Kirche!

Düsseldorf · Zu Pfingsten feiern Christen die Ausgießung des Heiligen Geistes. Verbunden ist damit auch der Auftrag an die Menschen zur weltweiten Mission.

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Foto: dpa/Sebastian Gollnow

Beginnen wir doch mit dem Leichtesten beim Pfingstfest. Das ist sein Name. Der nämlich geht zurück auf das griechische "pentecoste" - der fünfzigste. Aber selbst diese offenkundig klare Herleitung scheint sich davor zu drücken, was Pfingsten überhaupt ist und was konkret damals geschehen ist. Pfingsten meint erst einmal nur eine Art biblische Zeitrechnung. Seit Ende des vierten Jahrhunderts wird das Fest fünfzig Tage nach Ostern gefeiert.

Feuerzungen fallen auf die Köpfe

Das gibt Christen seit einigen Jahrhunderten gewissermaßen Planungssicherheit. Zu einer Handreichung für das Verständnis des Festes reicht es freilich nicht. Wie auch, bei all den abenteuerlichen Dingen, die sich zu Pfingsten - dem dritten christlichen Hauptfest nach Weihnachten und Ostern - abspielen. Dies nur in einer knappen Zusammenfassung: 50 Tage nach dem Kreuzestod Jesu sitzen die Jünger in Jerusalem zusammen, verzagt und ohne recht zu wissen, wie es nun weitergehen soll. Da setzt plötzlich ein mächtiges Brausen vom Himmel ein und ein gewaltiger Wind erfüllt das ganze Haus. Damit nicht genug: Feuerzungen fallen auf die Köpfe der Anwesenden.

Was Wind und Brausen bedeuten? Das ist der Heilige Geist, der beseelte Atem. Und was der Heilige Geist ist? Darüber kann man getrost mehr als drei Tage und drei Nächte reden und nachdenken, ohne zu einem "Ergebnis" zu kommen. Gott und das Göttliche sind der Heilige Geist, der aber keine Substanz hat und am besten als Hauch vorstellbar ist.

Um diesen Geist irgendwie darstellen zu können, wählte man die Gestalt der Taube. Und für nicht allzu Phantasiebegabte wurden früher in den Pfingstmessen hölzerne Attrappen des Vogels an Stricken durchs Kirchenschiff gezogen. Die Luke am Dachboden hieß dann dementsprechend das "Heilig-Geist-Loch".

Wichtiger ist: Der Heilige Geist ist übertragbar, aber auch unberechenbar: "Der Wind bläst, wo er will", weiß der Evangelist Johannes. Und in der Pfingsterzählung sind die versammelten Jünger sein Ziel. Sie alle wurden erfüllt vom Heiligen Geist, heißt es in der Apostelgeschichte. Das hat Folgen: Weil nun alle zu predigen anheben, und in anderen Sprachen, so dass alle plötzlich einander verstehen können. Feuer und Wind verwandeln ihre Sprachlosigkeit also in Beredsamkeit. Die Jünger wollen nicht nur von dieser Erfüllung berichten, sie müssen es sogar tun. So begeistert sind sie - im wahrsten Sinne des Wortes Feuer und Flamme.

Gründung einer Institution

Die Gegenwart Gottes ist derart spürbar und nah, dass die Jünger die frohe Botschaft gleich ihren Mitmenschen und am liebsten der ganzen Welt erzählen wollen. Dies ist hinreichend gedeutet worden. Zum einen leitet sich daraus der missionarische Auftrag der Gläubigen ab. Zum anderen die Gründung einer Institution, die seit Jahrhunderten im Gespräch ist - die Kirche.

So abstrakt viele Begebenheiten fünfzig Tage nach Ostern auch sein mögen, so konkret sind dann die Auswirkungen der biblischen Überlieferung. Die Kirche ist dabei weniger eine Möglichkeit der Glaubenspraxis; sie ist ein himmlischer Auftrag, ist ein Instrument Gottes und damit eine Unausweichlichkeit. Wer wirklich glaubt, kann so gesehen die von Menschenhand gegründete und feingliedrig institutionalisierte Kirche nicht hinterfragen.

Das aber machen seit einigen Jahren mehr und mehr ihrer Mitglieder. Nicht immer nur mit Worten. Auch die Zahl der Kirchenaustritte insbesondere in Deutschland formiert sich zu einem Meinungsbild, das statistisch belastbar ist. Wobei sowohl der Missbrauchsskandal als auch der Finanzskandal im Bistum Limburg in dieser Entwicklung beschleunigend wirkte. Nach den jüngsten Zahlen verließen 2014 über 217.000 Katholiken ihre Kirche hierzulande; in der Evangelischen Kirche waren es rund 200.000. Wiederaufnahmen gibt es zwar auch, doch mit etwas mehr als 6000 jährlich lässt sich daraus natürlich kein Gegentrend ableiten.

Die Kräfteverhältnisse der katholischen und evangelischen Kirche in Deutschland bleiben damit ungefähr gewahrt. Rund 23 Millionen Mitglieder zählen die Protestanten; 23,9 Millionen die Katholiken. Bei einer deutschen Gesamtbevölkerung von rund 81 Millionen Einwohnern macht das zwar immer noch mehr als die Hälfte aus; doch von dem so wohlklingenden Begriff der Volkskirche sprechen auch die christlichen Führungskräfte nicht mehr. Auch die Zukunft der meisten Ordensgemeinschaften wird von Geistlichen in Führungspositionen auf zwei bis drei Jahrzehnte berechnet.

Der zunehmende Abstand von Kirche lässt sich gleichfalls in der Statistik ablesen - vor allem an der Zahl der Gottesdienstteilnehmer. Die liegt in den katholischen Bistümern im Schnitt bei etwa zehn Prozent; am niedrigsten sind die Teilnehmerzahlen in den Bistümern Aachen (8,5 Prozent) und Essen (8,6), am stärksten im ostdeutschen Erfurt (19,4), das aber als eins der kleinsten Bistümer in der Bundesrepublik eine nur bedingt relevante Größe in der Statistik ist. Unter dem Strich bleibt der Befund, dass nur jeder zehnte Katholik sonntags die Eucharistie feiert.

Wichtige Fragen

Das Problem beider Kirchen ist nicht die Kritik, sondern die schweigende Abstinenz. Denn sie dokumentiert den gefährlichsten Gegner des Glaubens: die Gleichgültigkeit. Viele Menschen sind weder religiös unmusikalisch noch ausgeprägt kirchenfeindlich; sie sind apathisch. Ihr Schweigen ist das untrügliche Zeichen eines innerlich bereits vollzogenen Austritts.

Fragen bleiben der Kirche dennoch nicht erspart. Aber nicht danach, was Kirche ist, sondern oft, was sie kostet. Auch nicht, was Kirche Tag für Tag leistet, sondern was sie Stunde für Stunde zu tun versäumt.

Während sich Politiker und Theologen seit geraumer Zeit wortreich darüber streiten oder Gedanken machen, ob der Islam nun zu Deutschland gehört oder nicht, drängt sich zunehmend die Frage nach einer anderen Kraft: ob nämlich auch der Atheismus zu Deutschland gehört.

Das aktuelle Stimmungsbild innerhalb der Kirche ist noch ein anderes, ein milderes. Denn ungeachtet des anhaltenden Schrumpfungsprozesses steigen die Einnahmen der Kirchen in den vergangenen Jahren kontinuierlich. Das hat vor allem mit der weiterhin guten Beschäftigungslage in Deutschland zu tun. So lag die katholische Kirchensteuer im Jahr 2005 bei etwa vier Milliarden Euro. Die jüngsten Zahlen von 2014 weisen Einnahmen in Höhe von 5,7 Milliarden Euro aus. Dass dies nicht so bleiben wird, wissen alle Beteiligten. Die Steuern können also kein Ruhepolster sein, aber sie geben der Kirche etwas mehr Zeit, sich Gedanken um die Zukunft zu machen und neue Strukturen zu bedenken. Das Zusammenlegen von Gemeinden zu oftmals gesichtslosen Seelsorgeeinheiten war eine erste Reaktion, ein Allheilmittel ist es nicht. 10.900 Pfarreien zählte die katholische Kirche zuletzt; 1990 waren es noch gut 13.300. Die Kirche im Dorf zu lassen, ist eine Ermunterung zur Bodenständigkeit. Dazu aber fehlt es an Gläubigen wie auch an Priestern. So haben Priesterweihen inzwischen Seltenheitswert; etwas mehr als 70 sind es jährlich in ganz Deutschland.

Nichts Bedrohliches

Die durchstrukturierte Kirche ist eine Spezialität des Christentums. In keiner anderen Religion dieser Welt gibt es Vergleichbares. Es kann also auch in anderer, veränderter Form geglaubt werden. Das hat nichts Bedrohliches an sich, sondern kann auch ein Zeichen des Aufbruchs sein. Schon vor einem halben Jahrhundert hat der Theologe Hans Küng geschrieben, dass die Gottesfrage wichtiger sei als die Kirchenfrage. "Aber vielfach steht die zweite der ersten im Wege. Das müsste nicht so sein."

Pfingsten ist ein Fest der Wunder, der Ausgießung des heiligen Geistes, der Aussendung der Gläubigen. Alles ist Aufbruch zu Pfingsten. Ein schöner, ermutigender Gedanke.

(los)
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