Razzia gegen rechte Kameradschaften in NRW "Werden ihnen auf die Springerstiefel treten"

Dortmund · NRW-Innenminister Ralf Jäger (SPD) geht mit Verboten und Razzien gegen rechte Kameradschaften vor. In 32 Städten von NRW wurden am Morgen 146 Wohnungen und Vereinsheime durchsucht. Jäger verbot die Vereine "Nationaler Widerstand Dortmund", "Kameradschaft Hamm" und "Kameradschaft Aachener Land".

Razzia in rechtsextremer Szene in NRW
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"Damit haben wir der Neonaziszene in NRW einen harten Schlag versetzt", sagte Jäger am Mittag auf einer Pressekonferenz. Es seien wichtige Strukturen der Neonazis zerschlagen worden. "Wir werden nicht aufhören und nicht nachlassen", sagte Jäger schließlich. Man werde den Rechtsextremen "auf die Springerstiefel treten".

"Diese Gruppierungen sind gefährlich", erklärte Burkhard Freier, Chef des Verfassungsschutzes in NRW. "Wir stellen fest, dass es ihnen immer wieder gelingt, Jugendliche in ihre Fänge zu ziehen".

In Dortmund wurden 93 Wohnungen und Vereinsheime aufgesucht, im Raum Aachen, Düren und Heinsberg 48. Weitere Durchsuchungen fanden in Aachen, Ahlen, Bielefeld, Bochum, Castrop-Rauxel, Essen, Gelsenkirchen, Hamm,Herdecke, Iserlohn, Köln, Münster, Schwerte, Unna, Welver, Wuppertal, dem Rhein-Sieg-Kreis und dem Kreis Mettmann statt. Dabei habe sich es sich jeweils um den bisher umfangreichsten Schlag gegen Rechtsextremismus gehandelt, erklärte der Sprecher.

Die Beamten suchten zudem Vereinsmitglieder in Gefängnissen und einer Klinik auf, um ihnen die Verbotsverfügung auszuhändigen. Außerdem wurden ihre Zellen und persönlichen Gegenstände durchsucht. Innenminister Jäger erklärte: "Wir reißen damit große Löcher in das Netzwerk der Neonazis."

Möglicherweise Waffen entdeckt

Die Polizei in Aachen teilte mit, es seien zahlreiche "beweiswichtige Gegenstände" beschlagnahmt worden. Weitere Details wollte ein Sprecher zunächst nicht nennen. In einer Wohnung in Jülich im Kreis Düren habe die Polizei Gegenstände gefunden, "bei denen es sich wohl um Waffen handelt", sagte ein Sprecher. Spezialisten sollten nun prüfen, ob sie funktionstüchtig sind.

Nach Angaben des Innenministers seien Datenträger, Propagandamaterial, Schuss- und Schlagwaffen wie etwa Baseballschläger und Schlagringe beschlagnahmt worden. In einem Dortmunder Vereinsheim seien zudem 1000 Plakate der rechtsextremen NPD sichergestellt worden. Das zeige, so Jäger, die enge Verzahnung zwischen der Partei und der rechtsextremen Szene.

Bei den Durchsuchungen wurde auch das Vermögen der Kameradschaften beschlagnahmt, ihr Besitz eingezogen und das Tragen von Symbolen verboten, hieß es aus dem Ministerium.

Bei der "Kameradschaft Aachener Land" war es laut Polizei zunächst schwierig, ihnen Vereinsstrukturen nachzuweisen. Die Vereinigung sei in keinem Register eingetragen gewesen. "Verboten werden können nur Vereine, nicht Kameradschaften", erklärte ein Sprecher.

Jäger erklärte, er habe mit seinem Acht-Punkte-Programm versprochen, konsequent gegen Neonazis vorzugehen. "Eine Demokratie muss beweisen, dass sie wehrhaft ist", so der Minister. "Und deshalb haben wir gehandelt." Der SPD-Politiker lobte außerordentlich die gute Zusammenarbeit von Polizei und Verfassungsschutz, die die Verbote akribisch vorbereitet hätten.

Hohe Zahl von rechtsmotivierten Straftaten

Erst im Mai hatte Minister Jäger die Kölner "Kameradschaft Walter Spangenberg" verboten. Bei einer Razzia im Raum Köln/Bonn, im Ruhrgebiet sowie in Gefängniszellen in rheinland-pfälzischen Justizvollzugsanstalten wurden Symbole, Beweismaterial und Vereinsvermögen beschlagnahmt.

Nach einer jüngst veröffentlichten Antwort des Innenministeriums auf eine Kleine Anfrage der Grünen ist Kriminalität aus dem rechtsextremen Milieu weiterhin ein Problem in NRW. Mit 1.517 rechtsmotivierten Straftaten habe es zwischen Januar und Juni im Vergleich zum Vorjahreszeitraum 52 Fälle mehr gegeben. Für das 2011 wurde mit 3.015 Straftaten der dritthöchste Wert für rechte Kriminalität in NRW in den vergangenen zehn Jahren registriert.

Reihe von Razzien

(rpo/dpa/afp)
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