Bundesgerichtshof Legt euch nicht mit Richter Fischer an

Meinung | Düsseldorf · Thomas Fischer ist Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof. Doch weil ihn dieser Beruf nicht auszufüllen scheint, führt er im Netz einen orientierungslosen Feldzug gegen alles, was ihn stört.

 Thomas Fischer schreibt gerne Kolumnen.

Thomas Fischer schreibt gerne Kolumnen.

Foto: DPA

Man wird sich Thomas Fischer als einen unruhigen Mann vorstellen müssen. Jurastudenten etwa empfiehlt er morgens früh aufzustehen, dann eine große Kanne grünen Tee zu kochen und bis spät in die Nacht bedeutsame Werke zu lesen. Max Weber zum Beispiel oder das Handbuch des Staatsrechts, Band eins bis 13. Thomas Fischer macht sich nämlich um die Qualifikation der Studenten Sorgen. Aber das sollte die Studenten nicht beunruhigen, denn Thomas Fischer macht sich sehr viele Sorgen.

Eigentlich ist Fischer im Hauptberuf Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe — neben dem Bundesverfassungsgericht das höchste deutsche Gericht. Seinen Vorsitz im zweiten Strafsenat hat sich Fischer mit einer Klage erstritten, er fühlte sich vom Präsidenten des BGH unfair beurteilt. Fischer bekam Recht und man tritt ihm sicherlich nicht zu nahe, wenn man sagt, dass er besonders gern Recht bekommt.

Sein Posten am BGH scheint Fischer intellektuell oder zeitlich nicht auszufüllen. Seine unregelmäßig bis wöchentlich erscheinenden Kolumnen auf "Zeit online" jedenfalls enthalten im Durchschnitt etwa 25.000 Zeichen. Sie sind so umfangreich, dass er nur ein paar auswählen muss — und schon hat er ein ganzes Buch damit gefüllt (das er im Februar auch veröffentlicht hat).

Mal widmet er sich den Tiefen der Strafrechtsdogmatik, mal der Novelle zum Sexualstrafrecht oder Jan Böhmermann und dann glaubt er, exklusive gesellschaftliche Beobachtungen gemacht zu haben. Doch gleich welches Thema sich der Herausgeber des populärsten Kommentars zum Strafgesetzbuch vornimmt: Fischer steht über den Dingen und hat Recht. So wie der gewieft doppeldeutige Titel seiner Kolumne ("Fischer im Recht") es erahnen lässt.

In einem Interview mit dem "Deutschlandfunk" bescheinigte er jüngst sämtlichen Gerichtsreportern von Lokalzeitungen eine "unterschichtenorientierte Berichterstattung", die herablassend im Ton sei. Es entbehrt nicht einer gewissen Ironie, dass ausgerechnet Fischer sich über herablassende Töne echauffiert. Thomas Fischer ist schließlich — das würde er wohl nicht bestreiten - der personifizierte herablassende Ton. Sein Kontakt mit Lokaljournalisten wird sich auf ein minimales Mindestmaß reduzieren.

Nun müssen Journalisten, zu deren Jobbeschreibung Kritik gehört, mit Gegenkritik leben. Eine andere Frage ist, ob ein Vorsitzender Richter am BGH sich einen persönlichen Kleinkrieg mit Kolumnisten anderer Portale leisten kann oder sollte. Als es um die Änderungen zum Sexualstrafrecht ging, erläuterte Fischer lang und breit, was er von ihnen hält, nämlich: nichts.

Margarete Stokowski ("taz" / "Spiegel Online") antwortete und hinterfragte schamlos seine Argumentation. Sie warf schließlich die uncharmante Frage auf, mit welchem Körperteil Fischer seine Texte zu dem Thema schreibe. Fischer fühlte sich angegriffen und giftete auf dem gleichen Niveau zurück.

Fischer ist Richter, das muss man sich vergegenwärtigen. Er entscheidet über Schicksale, über Recht und Unrecht und definiert die Grenze von Schuld und Unschuld jeden Tag mit. Aus gutem Grund steht deshalb im Deutschen Richtergesetz das Zurückhaltungsgebot. Das sieht vor, dass sich Richter auch außerhalb ihres Dienstes so verhalten sollen, dass kein Zweifel an ihrer Unabhängigkeit aufkommt.

Fischer hält sich, wer hätte das gedacht, für den unabhängigsten Menschen überhaupt. Schließlich poltert er gegen alles und jeden. Leg dich nicht mit Fischer an, sollte man raten, schließlich könnte der Tag kommen, an dem Fischer über dich zu urteilen hat. Wie unabhängig er dann noch gegenüber den Menschen ist, über die er schon kräftig polterte, ist ungewiss.

Fischer ist der Meinung, dass sich gerade ein Bundesrichter in die aktuellen politischen Debatten einmischen sollte. Damit mag er zwar Recht haben, allerdings sollte er sich vielleicht entgegen seines Naturells hie und da im Ton zügeln.

Er könnte damit etwa nicht nur der Unabhängigkeit frönen, sondern sich wie ein Vorbild verhalten. Kult mag zwar viele Leserkommentare und Klicks versprechen, aber ein Richter sollte vielleicht andere Ansprüche haben als die Internetportale, auf denen er seine Texte veröffentlicht.

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