EuGH in Straßburg entscheidet Richter klären Patentrechte für menschliche Zellen

Karlsruhe (RPO). Ist eine befruchtete Zelle schon ein Mensch? Oder dürfen aus ihnen gewonnene embryonalen Stammzellen zur kommerziellen Verwertung patentiert werden? Diese bedeutsame Frage soll der Europäische Gerichtshof (EuGH) im Streit zwischen Greenpeace und dem deutschen Wissenschaftler Oliver Brüstle am Dienstag in Luxemburg klären.

Der Bonner Stammzellenforscher Oliver Brüstle kämpfte in Straßburg für eine liberale Auslegung des Rechts zu Bio-Patenten - vergeblich.

Der Bonner Stammzellenforscher Oliver Brüstle kämpfte in Straßburg für eine liberale Auslegung des Rechts zu Bio-Patenten - vergeblich.

Foto: ddp

Brüstle hatte 1997 ein Verfahren patentieren lassen, mit dem aus embryonalen Stammzellen sogenannte neuronale Vorläuferzellen zur Behandlung von Nervenleiden wie Parkinson gewonnen werden können. Greenpeace hält solch ein Patent gleichwohl für sittenwidrig - und bekommt nun vor dem EuGH vermutlich Recht.

Dass der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe dieses für die europaweite Genforschung bedeutsame Grundsatzverfahren dem EuGH vorlegte, liegt an der unklaren Formulierung der EU-Biopatentrichtlinie von 1998. Dort heißt es in Artikel 5, dass der "menschliche Körper in den einzelnen Phasen seiner Entstehung und Entwicklung" geschützt ist, und in Artikel 6, "dass die Verwendung von menschlichen Embryonen zu industriellen oder kommerziellen Zwecken" nicht patentierbar ist.

Doch benutzt Brüstle Embryonen? Für seine Forschungen hatte er mit Erlaubnis der Bundesregierung embryonale Stammzellen aus Israel eingeführt. Dort hatte ein Ehepaar nach einer künstlichen Befruchtung fünf Tage alte überzählige Eizellen gespendet, aus welchen dann die sogenannten Stammzelllinien gewonnen wurden. Diese Stammzellen können über viele Jahre hinweg vermehrt und in jegliches gewünschtes Gewebe entwickelt werden. Brüstle gewinnt aus ihnen Vorläuferzellen, um damit geschädigtes Nervengewebe bei Parkinson oder Multipler Sklerose direkt im Gehirn der Erkrankten zu reparieren.

Zudem, so argumentiert der Wissenschaftler, darf an diesen Linien laut dem Stammzellgesetz von 2002 legal gearbeitet werden. Was mit Blick auf die Forschung erlaubt sei, könne deshalb bei der Patentierung nicht gleichzeitig sittenwidrig sein. In EU-Staaten wie Großbritannien und Schweden hätte Brüstle mit seiner Argumentation kein Problem. Dort wird von einem "Embryo" erst 14 Tage nach der Befruchtung der Eizelle gesprochen. Die Patentierung embryonaler Stammzellen ist deshalb erlaubt.

Doch geht es nach dem richterlichen Gutachter Yves Bot am EuGH, sollen solche Patente bald EU-weit nicht mehr möglich sein. Nach seiner Ansicht sind befruchtete Eizellen bereits von Anfang an fähig, sich zu einem vollständigen Menschen zu entwickeln. Sie seien deshalb rechtlich als "menschliche Embryonen" zu bewerten und dürften wegen ihrer Menschenwürde nicht patentiert werden.

Dieser Schutz gilt laut Bot auch für embryonale Stammzellen, wie Brüstle sie nutzt. Zwar könnten sich solche Zellen nur zu einzelnen Organe ausdifferenzieren und nicht zu einem vollständigen Lebewesen entwickeln. Doch wenn diese Stammzellen - wie im Fall der israelischen Zelllinien - durch die vorherige Zerstörung oder Schädigung eines Embryos gewonnen wurden, dürften aus ihnen gewonnene Zellen ebenfalls nicht patentiert werden, weil auch dies gegen die Ethik und die öffentliche Ordnung verstoßen würde.

Übernimmt nun der EuGH die Rechtsansicht seines Generalanwalts, was in 80 Prozent der Fälle geschieht, hat das Auswirkung auf die Genforschung in ganz Europa. Laut Brüstle würde hier kein Unternehmen mehr in die embryonale Stammzellenforschung investieren. Allerdings befasst sich die neuere Forschung längst mit Stammzellen von Erwachsenen, die etwa im Knochenmark gefunden werden. Aus ihren körpereigenen Zellen könnte dann für Kranke ethisch problemlos das jeweils nötige "Reparaturgewebe" gewonnen werden.

(AFP)
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