Spionage-Krimi in Deutschland Russisches Agentenpaar angeklagt

Karlsruhe · Tote Briefkästen, falsche Pässe und verschlüsselte Nachrichten - ein russisches Agentenpaar hat zwei Jahrzehnte lang unauffällig in Deutschland gelebt und spioniert. Vor einem Jahr flogen die beiden auf. Jetzt müssen sie sich vor Gericht verantworten.

 Ein russisches Paar muss sich wegen Spionage vor Gericht verantworten.

Ein russisches Paar muss sich wegen Spionage vor Gericht verantworten.

Foto: AFP

Stoff für einen Spionage-Thriller: Ein mutmaßliches russisches Agentenpaar muss sich demnächst vor dem Oberlandesgericht Stuttgart verantworten, weil es seit mehr als 20 Jahren von Deutschland aus für den russischen Auslandsgeheimdienst SWR spioniert haben soll. Den beiden droht eine mehrjährige Haft.

Dem "Spiegel" zufolge ist es der erste derartige Fall seit der Wiedervereinigung. Die beiden sollen Teil eines russischen Spionagerings sein, dessen Spur Ermittler in den USA aufnahmen und die sie unter anderem zu einem niederländischen Diplomaten führte.

Geheime Informationen von EU und NATO

Die Bundesanwaltschaft hat Anklage wegen geheimdienstlicher Agententätigkeit erhoben. Den obersten Anklägern zufolge sollen die beiden als hauptamtliche Spione für ein Jahressalär von rund 100.000 Euro Informationen über die politische und militärpolitische Strategie der EU und der NATO weitergegeben haben - über sogenannte tote Briefkästen, also Verstecke, die nur dem Absender und Empfänger bekannt sind. Ihre Anweisungen hätten sie hauptsächlich über Agentenfunk erhalten. Ihre Meldungen an die Geheimdienstzentrale übermittelten sie hingegen per Satellit. Außerdem sollen sie ein Videoportal im Internet für versteckte Botschaften genutzt haben.

Die Eheleute, die über Jahre unauffällig in Hessen und Baden-Württemberg lebten, flogen vor knapp einem Jahr auf: Spezialeinheiten der Polizei nahmen den Mann, der Maschinenbau studiert haben soll, am 18. Oktober 2011 im baden-württembergischen Balingen fest, die Frau zeitgleich in Hessen.

Falsche Pässe, Kurzwellensender und verschlüsselte Nachrichten - die Beamten müssen sich in einem Agenten-Krimi gewähnt haben: Als sie die Tür zum unauffälligen, weiß getünchten Haus im hessischen Michelbach, einem Stadtteil von Marburg, aufbrachen, saß die Frau dem "Spiegel" zufolge gerade an einem Kurzwellenempfänger. Die mutmaßliche Agentin sei so erschrocken gewesen, dass sie vom Stuhl gefallen sei und das Verbindungskabel zum PC herausgerissen habe.
Damit seien auch die Verbindung und die "Aufzeichnung klandestiner Nachrichten" abgebrochen, die mit einer Erkennungsmelodie aus dem Radio dudelten, so das Nachrichten-Magazin.

"Österreicher" mit russischem Akzent

Die beiden sollen laut Bundesanwaltschaft 1988 und 1990 als angebliche österreichische Staatsangehörige südamerikanischer Herkunft unter den Aliasnamen Andreas und Heidrun A. in die Bundesrepublik eingereist sein. "Unter dieser mit falschen österreichischen Ausweispapieren untermauerten Legende bauten sie sich eine bürgerliche Existenz auf, mit der sie ihre geheimdienstliche Tätigkeit tarnten", so die Karlsruher Ankläger.

Und das, obwohl sie dem "Spiegel" zufolge mit einem deutlichen russischen Akzent Deutsch sprachen. Spätestens als das Paar eine Tochter bekam, schien die Tarnung perfekt, so der "Spiegel".

Die genaue Identität und das Alter der beiden, denen auch Falschbeurkundung vorgeworfen wird, steht nach wie vor nicht fest. Ihre Tarnung flog auch dank Recherchen von Verfassungsschützern auf.

Das mutmaßliche Agentenpaar pflegte früheren Medienberichten zufolge offenbar auch intensiven Kontakt mit der 2010 in den USA aufgeflogenen russischen Spionin Anna Chapman. Die rothaarige "Agentin 90-60-90" gilt in Russland als Medienstar.

(dpa)
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