Historiker über den Verlust des Stadtarchivs "Schlimmer als der Brand der Anna Amalia Bibliothek"

Köln (RPO). Historiker bewerten den Einsturz des Kölner Stadtarchivs als "große Katastrophe". Der Verlust des größten kommunalen Archivs nördlich der Alpen sei nach erster Einschätzung schlimmer als der Brand der Herzogin Anna Amalia Bibliothek 2004 in Weimar, sagte Historiker Joachim Oepen vom Kölner Diözesanarchiv.

Historisches Stadtarchiv in Köln - Bilder vom Einsturz 2009
19 Bilder

Das Historische Stadtarchiv in Köln ist eingestürzt

19 Bilder
Foto: AP

Während es von den wertvollen Büchern in Weimar Zweitausgaben gegeben habe, seien in Köln unzählige Originale unrettbar verloren gegangen, erklärt der Historiker.

Die Kölner Dombaumeisterin Barbara Schock-Werner sagte dem Bistumssender domradio, der größte Feind der wertvollen Dokumente seien nun nicht Schutt und Staub, sondern Regen. Durch das Wasser könnten Staub und Papiere zusammenpappen, so die Kunsthistorikerin. Der Archivverlust sei auch aus kirchlicher Sicht dramatisch, betonte Oepen. Das Stadtarchiv habe auch große Teile des mittelalterlichen Domarchivs beherbergt, unter anderem die Protokolle des Domkapitels vom 15. Jahrhundert bis 1798 sowie mehr als 3400 Urkunden des Domstiftes. Auch die Archive der Kölner Klöster und Stifte lagerten zu großen Teilen in dem eingestürzten Gebäude.

"Restaurierung wird Jahrzehnte dauern"

Wie viele Dokumente aus den Trümmern gerettet werden können, ist laut Archivar Oepen unklar. "Selbst wenn nicht alles pulverisiert oder durchnässt ist, wird es Jahrzehnte zur Restaurierung brauchen", so der Experte. Er betonte, die Bestände des Stadtarchivs seien nicht nur für die Geschichte der Domstadt unersetzlich, sondern auch für die Aufarbeitung der Historie des nordwesteuropäischen Raumes. Große Teile der Quellen seien noch gar nicht ausgewertet gewesen.

Das Stadtarchiv umfasste Dokumente aus über 1000 Jahren Kölner und rheinischer Geschichte, insgesamt 65.000 Urkunden, 104.000 Karten und eine halbe Million Fotos. Auch zahlreiche Nachlässe, darunter die von Heinrich Böll und Jacques Offenbach, befanden sich in dem Archiv. Die früheste Urkunde stammt aus dem Jahr 922. Das Gebäude in der Severinstraße wurde 1971 für das Archiv gebaut und war am Dienstagmittag aus noch ungeklärter Ursache vollständig eingestürzt. Über genaue Opferzahlen ist noch nichts bekannt. Alle Mitarbeiter und Benutzer des Archivs konnten sich offenbar rechtzeitig in Sicherheit bringen.

(KNA)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort