Kinderporno-Prozess startet Montag 57 Personen sollen vom Verdacht gegen Edathy gewusst haben

Verden · Der Kreis der Eingeweihten im Kinderporno-Fall Sebastian Edathy war nach Medieninformationen größer als angenommen. 57 Politiker, Ermittler und Amtsträger in Niedersachsen sollen demnach bereits vor den Hausdurchsuchungen bei Edathy von dem Verdacht gewusst haben.

 Frank Lüttig soll Interna durchgestochen haben.

Frank Lüttig soll Interna durchgestochen haben.

Foto: dpa, hoh wst jol

Entsprechende Unterlagen sollen dem NDR-Fernsehmagazin "Hallo Niedersachsen" vorliegen. Sie geben auch Aufschluss über die Wege, auf denen diese Personen informiert wurden, dass sich Edathys Name auf einer Liste im Zusammenhang mit Ermittlungen wegen des Erwerbs kinderpornografischer Schriften befindet. Dies bezieht sich auf den Zeitraum vor der ersten Hausdurchsuchung bei Edathy im Februar vergangenen Jahres.

Rund ein Jahr nach dem abrupten Ende der politischen Laufbahn von Sebastian Edathy startet am Montag am Landgericht Verden der Kinderporno-Prozess gegen den ehemaligen SPD-Hoffnungsträger. Die Staatsanwaltschaft Hannover wirft dem 45-Jährigen vor, via Internet Kinderpornos gekauft zu haben. Edathy hat dies bislang abgestritten.

Der Prozess dürfte wegen gleich mehrerer Faktoren unter besonderem medialen Interesse stehen. Am Freitag wurde bekannt, dass gegen den Celler Generalstaatsanwalt Frank Lüttig Ermittlungen wegen eines möglichen Geheimnisverrates unter anderem im Fall Edathy eingeleitet wurden. Zum anderen versucht ein Untersuchungsausschuss des Bundestages parallel zu klären, ob Edathy von Parteifreunden über die gegen ihn laufenden Ermittlungen gewarnt wurde.

Lüttig soll interne Ermittlungsdetails - nach dpa-Informationen aus dem Abschlussbericht der Ermittler - an Journalisten weitergegeben haben. Die Staatsanwaltschaft Göttingen prüft ferner, ob sich Lüttig auch in sieben weiteren Fällen aus dem bereits abgeschlossenen Prozess gegen Ex-Bundespräsident Christian Wulff mit Durchstechereien strafbar gemacht hat.

Fall Lüttig könnte Auswirkungen haben

Im Fall Edathy könnten die Ermittlungen gegen Lüttig je nach Würdigung des Gerichts durchaus Auswirkungen auf den Prozessverlauf haben. Zwar könne ein Prozess wegen durchgesickerter Informationen nicht platzen, erläuterte der Richter am Landgericht Lüneburg, Harald Natho. Aber: "Denkbar ist etwa, dass durch eine vorzeitige Bekanntgabe von Ermittlungsergebnissen die Aussagen von Zeugen oder die Einlassungen des Beschuldigten beeinflusst werden."

Im Falle einer Verurteilung drohen Edathy laut Gesetz bis zu zwei Jahre Gefängnis oder eine Geldstrafe. Das Gericht wies aber bereits darauf hin, dass ein Strafmaß "eher im unteren Bereich" zu erwarten sei, weil es sich "um vergleichsweise wenige Taten mit einer noch begrenzten Anzahl an Zugriffen" handele.

Bereits die Ermittlungen gegen Edathy hatten das politische Berlin durcheinandergewirbelt. Bundesagrarminister Hans-Peter Friedrich (CSU) war zurückgetreten, weil er als damaliger Innenminister die SPD-Spitze gewarnt hatte - wohl um während der Koalitionsbildung eine Amtsvergabe an Edathy und damit einen später möglichen Skandal zu verhindern. Bis heute ist ungeklärt, ob und von wem Edathy aus den Reihen der SPD über die gegen ihn laufende Polizeiarbeit auf dem Laufenden gehalten wurde - viele sprechen deshalb längst von einer SPD-Affäre. Edathy selbst hat den rheinland-pfälzischen SPD-Bundestagsabgeordneten Michael Hartmann als Quelle genannt.
Dieser bestreitet den Vorwurf aber.

Für das Strafverfahren in Verden ist die politische Dimension der Affäre mit Fragen zum möglichen Geheimnisverrat oder gar zu einer Strafvereitelung unerheblich. Hier soll lediglich geklärt werden, ob Edathy im November 2013 kinderpornografische Video- und Bilddateien aus dem Internet heruntergeladen hat. Zudem soll er laut Anklage einen Bildband und eine CD besessen haben, deren Inhalt von der Staatsanwaltschaft als jugendpornografisch eingestuft wird.

Die Ermittler waren auf Edathy aufmerksam geworden, weil dessen Name auf der Kundenliste einer kanadischen Firma aufgetaucht war, die auch Kinder- und Jugendpornos vertrieben haben soll. Edathy bestreitet nicht, dort Material geordert zu haben, klassifiziert das aber als legal. Erst im Zuge dieser Ermittlungen fanden die Ermittler auf einer Bundestag-Datenbank die Dateien, die beim nun startenden Prozess im Fokus stehen.

Das Landgericht hat zunächst neun Verhandlungstage bis Ende April angesetzt.

(dpa)
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