BGH urteilt zu Sicherungsverwahrung Sexualmörder will sich in die Freiheit klagen

Karlsruhe (RPO). Sollen gefährliche Straftäter für immer weggesperrt werden, wenn sie eine Gefahr für die Gesellschaft darstellen? Der Bundesgerichtshof entscheidet nun in einem Grundsatzurteil, ob die nachträgliche Sicherungsverwahrung auch für Jugendliche verhängt werden kann. Ein heute 32 Jahre alter Mann hat geklagt.

 Der Bundesgerichtshof hat über die Bildersuche bei Google entschieden.

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Foto: AP

Es passierte im Juni 1997. Am frühen Abend joggt Margit R. durch einen Wald bei Regensburg. Der Schreinerlehrling Daniel I. lauert der 31-Jährigen auf, fällt sie an, erwürgt sie und vergeht sich an der Frau. Durch einen Massen-DNA-Test kommt die Polizei auf die Spur des 19-Jährigen. Über ein Jahr später wird Daniel I. verhaftet und wegen des Sexualmordes zu zehn Jahren Haft verurteilt.

Im Sommer 2008 steht die Entlassung des jungen Mannes an. Doch ein Gutachter attestierte Daniel I. eine zunehmende sexuelle Störung. Eine nachträgliche Sicherungsverwahrung sei angebracht. Doch diese Möglichkeit besteht bei Tätern, die zum Tatzeitpunkt noch unter das Jugendstrafrecht fallen, noch nicht. Aufgeschreckt von der drohenden Entlassung peitschte die Große Koalition in Berlin in Rekordzeit ein entsprechendes Gesetz durch, das sich seinerzeit in Vorbereitung befand.

Im Juni 2009 ordnete das Landgericht Regensburg im Fall des Jogger-Mörders erstmals die nachträgliche Sicherungsverwahrung für den inzwischen 32-Jährigen an. Der Verurteilte legte dagegen Revision ein. Der Bundesgerichtshof prüft nun in der Revisionsverhandlung, ob die Sicherungsverwahrung zu Recht verhängt wurde. Dabei wird es auch um mehrere Gutachten gehen, die die Gefährlichkeit des Sexualstraftäters unterschiedlich beurteilen.

Aber ist die Anordnung der Sicherungsverwahrung rechtlich zulässig? Der vorliegende Fall ist besonders schwierig, da Daniel I. nach dem Jugendstrafrecht verurteilt wurde. Hier steht die Erziehung eher im Vordergrund als die Bestrafung. Täter im Alter zwischen 18 und 21 Jahren gelten als Heranwachsende. Hier entscheidet das Gericht individuell, ob das Jugend- oder Erwachsenenstrafrecht angewendet wird.

Bereits im Januar hatte der BGH mit einem Urteil für Aufsehen gesorgt. Ein Sexualtäter, der seit seiner Entlassung in Heinsberg lebt, durfte weiter auf freiem Fuß bleiben. Trotz der Gutachten, die den Mann als gefährlich einstuften, hatte das Landgericht München II die nachträgliche Sicherungsverwahrung abgelehnt. Der BGH verwarf die Revision der Staatsanwaltschaft.

Grundsätzlich hat der BGH strenge Auflagen an die Verhängung der nachträglichen Sicherungsverwahrung geknüpft. Während der Haftzeit müssten neue, gravierende Umstände aufgetreten sein, die auf ein Rückfallrisiko hindeuteten. Wird bei dem Urteil versäumt, eine Sicherungsverwahrung anzuordnen, kann dies über eine nachträgliche Verhängung nicht korrigiert werden, hieß es.

Die jetzt anstehende Entscheidung des BGH könnte, ganz unabhängig vom Ausgang, bald überholt sein. Zuletzt hatte der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte die in Deutschland eingeführte nachträgliche Sicherungsverwahrung als Verstoß gegen die europäische Menschenrechtskonvention gerügt. Der Gerichtshof sieht einen Verstoß gegen das Prinzip, dass das Strafgesetz schon zum Zeitpunkt der Verurteilung bestehen muss. Auch die Sicherungsverwahrung sei eine Strafe, sie werde in Deutschland aber verhängt, obwohl die Gesetze bei der ursprünglichen Verurteilung nicht bestanden hätten. Das FDP-geführte Bundesjustizministerium hat eine Reform des Gesetzes angekündigt.

Das Straßburger Urteil ist allerdings noch nicht rechtskräftig, da die Bundesregierung Rechtsmittel angekündigt hat. Der Ausgang dieser Entscheidung könnte dem Fall Daniel I. eine entscheidende Wende geben.

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