Justizskandal in NRW Sexualtäter wegen verstrichener Frist frei

(RP). Eine neue Panne erschüttert die nordrhein-westfälische Justiz. Ein weiterer verurteilter Sexualstraftäter kommt nicht in Sicherungsverwahrung, wie eine Sprecherin des Oberlandesgerichts (OLG) Hamm mitteilte. Demnach ist der mehrfach vorbestrafte Gewalt- und Sexualverbrecher Anfang Januar der Sicherungsverwahrung entgangen und freigelassen worden, weil die Staatsanwaltschaft Essen eine Frist hat verstreichen lassen. Der Mann wohnt mittlerweile in Marl.

Der mehrfach verurteilte Mann, der unter anderem wegen versuchten Mordes und Kindesmissbrauchs gesessen hatte, war zuletzt 2003 vom Landgericht Essen zu sieben Jahren Haft verurteilt worden, weil er eine Frau mit einer Machete verletzt und ein Kind missbraucht hatte. Das Gericht habe sich damals in seinem Urteil ausdrücklich die spätere Unterbringung in der Sicherungsverwahrung vorbehalten.

Da der Mann in der Haft jede Therapie abgelehnt habe und von einem Gutachter weiterhin als gefährlich beschrieben werde, habe die Staatsanwaltschaft Essen im Dezember 2009 wenige Tage vor der Haftentlassung des Mannes die Sicherungsverwahrung beantragt. Das Landgericht Essen sei dem Antrag gefolgt, doch das Oberlandesgericht (OLG) Hamm habe den Beschluss gekippt.

Die OLG-Richter hätten darauf hingewiesen, dass das Strafgesetzbuch eine klare Frist setze, um in Fällen wie diesem die Sicherungsverwahrung zu verhängen. Sie müsse sechs Monate vor dem Zeitpunkt verhängt werden, zu dem eine Strafaussetzung auf Bewährung möglich sei. Die Richter des OLG Hamm schreiben in ihrem Beschluss, das Verfahren hätte bereits 2007 fristgerecht betrieben werden müssen. Damals sei klar erkennbar gewesen, "dass der Verurteilte keine Therapiebemühungen unternommen hat und seine Gefährlichkeit deshalb fortbestand". Die Staatsanwaltschaft Essen räumte die Justizpanne ein.

Die Deutsche Kinderhilfe forderte klare gesetzliche Regelungen im Umgang mit Sexualstraftätern. Da die Fristversäumnisse in der Praxis kein Einzelfall seien, müsse der Gesetzgeber eine Vereinheitlichung herbeiführen. Kürzlich hatte der Bundesgerichtshof geurteilt, dass ein nachweislich gefährlicher Sexualverbrecher aus Heinsberg auf freiem Fuß bleibt. Eine nachträgliche Sicherungsverwahrung sei in diesem Fall rechtswidrig.

Neuer Fall "Heinsberg"?

Mittlerweile bahnt sich in Marl, dem momentanen Wohnsitz des Mannes, eine ähnlich explosive Stimmung an wie in Heinsberg. Dort ist der verurteilte Sexualtäter Karl D. unter ständiger Polizeiüberwachung. Die Einwohner halten täglich Mahnwachen vor dem Wohnsitz des Täters. Auch hier war eine Frist verstrichen und der Verurteilte musste freigelassen werden.

Laut "Recklinghäuser-Zeitung" birgt der aktuelle Fall eine gewisse Brisanz: der Bürgermeister erklärte, dass der Sexualtäter in Marl eine neue Wohnung beziehen musste. Bis dahin wohnte der Mann im Obdachlosenheim - die Stadt wusste nur, dass es sich um einen Straftäter handelte. Nötig wurde der Umzug dann, als bekannt wurde, dass es sich hier um einen Sexualtäter handelte - das Obdachlosenheim liegt in der Nähe einer Grundschule, eines Kindergarten sowie eine Fußballvereins mit Jugendmannschaften.

(RP/Recklinghäuser Zeitung)
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