Missbrauchs-Skandal "Sexuelle Revolution nicht ganz unschuldig"

Berlin (RPO). Der Augsburger Bischof Walter Mixa sieht in der sexuellen Revolution der vergangenen Jahrzehnze eine Ursache für den gestiegenen Missbrauch von Kindern und Jugendlichen. Der "Augsburger Allgemeinen" legte er seine Sichtweise dar: "Die sogenannte sexuelle Revolution, in deren Verlauf von besonders progressiven Moralkritikern auch die Legalisierung von sexuellen Kontakten zwischen Erwachsenen und Minderjährigen gefordert wurde, ist daran sicher nicht unschuldig."

In den vergangenen Jahrzehnten habe es gerade in den Medien eine zunehmende Sexualisierung der Öffentlichkeit gegeben, "die auch abnorme sexuelle Neigungen eher fördert als begrenzt", erklärte Mixa weiter. Grundsätzlich sei sexueller Missbrauch von Minderjährigen jedoch "leider ein verbreitetes gesellschaftliches Übel, das in vielfältigen Erscheinungsformen von der Familie bis zur Schule oder zum Sportverein auftritt".

Zu dem Vorwurf, dass die Kirche die Täter geschützt und die Opfer ignoriert habe, sagte der Bischof: "Ich schließe natürlich nicht aus, dass auch in der Kirche mancher Verantwortliche in der Vergangenheit gegenüber Sexualdelikten an Kindern und Jugendlichen zu blauäugig war und unberechtigter Weise auf eine Besserung des Täters in einem anderen Aufgabenfeld gesetzt hat. Da sind kirchliche Verantwortungsträger möglicherweise auch einem Zeitgeist aufgesessen, der selbst im Bereich des staatlichen Strafrechts Resozialisierung statt Strafe propagierte."

Roth fordert den Papst zum Handeln auf

Derweil forderte die Grünen-Vorsitzende Claudia Roth das Oberhaupt der katholischen Kirche, Papst Benedikt XVI. auf, die Aufklärung des Missbrauchs-Skandals am Canisius-Kolleg voranzutreiben. Roth äußerte zudem die Befürchtung, dass die aufgedeckten Missbrauchs-Fälle erst die Spitze des Eisbergs seien.

Auch die katholische Bischofskonferenz mit ihrer Frühjahrkonferenz in der kommenden Woche sei nun in der Pflicht, eine glaubwürdige Antwort auf die Missbrauchsfälle am Canisius-Kolleg zu finden, erklärte die Bundesvorsitzende der Grünen, Claudia Roth, am Dienstag. Die Berliner Jesuiten haben für Aschermittwoch zu einem Gebet eingeladen. Damit solle "Scham und Trauer" über "die Schuld einzelner Jesuiten und die Katastrophe institutionellen Wegsehens" ausgedrückt werden.

Roth äußerte die Befürchtung, dass durch "langjährige Praktiken der Vertuschung und Verheimlichung" erst die Spitze des Eisbergs sichtbar sei. Papst und Bischofskonferenz müssten "für einen grundlegend neuen und angemessenen Umgang mit Missbrauchsfällen in Institutionen der Katholischen Kirche sorgen".

Schluss mit langjähriger Vertuschung

Mit der institutionalisierten und als heilig erachteten Intransparenz der katholischen Kirche müsse endgültig Schluss sein, erklärte Roth. Es gehe um schwere Straftaten, um die langjährige Vertuschung dieser Straftaten und um die Verhinderung solcher Straftaten in der Zukunft.

Neben der juristischen Aufklärung und Wiedergutmachung sei aber auch moralische Selbstaufklärung nötig, erklärte Roth. "Es kann nicht übersehen werden, dass auch die antiquierte und restriktive Sexualmoral, wie die Katholische Kirche sie offiziell vertritt, zu einem solchen furchtbaren Komplex des Wegsehens und der Verheimlichung führen kann."

Im Skandal um sexuellen Missbrauch und Misshandlungen am Berliner Jesuitengymnasium Canisius-Kolleg haben sich bislang mehr als 100 Betroffene gemeldet. Darunter sind aber nicht nur ehemalige Canisius-Schüler, sondern auch Schüler anderer Jesuiten-Schulen im Bundesgebiet. Genaue Zahlen sollen diese Woche bekanntgegeben werden.

(apd/nbe)
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