Untersuchungsausschuss zu NSU-Mordserie Soko "Bosporus" muss Farbe bekennen

Berlin · Im Bundestags-Untersuchungsausschuss zur Neonazi-Mordserie sind zum Beginn der Beweisaufnahme schwere Vorwürfe gegen die Sicherheitsbehörden erhoben worden. Die Vertreter der Parteien kritisierten, dass Bayerns Verfassungsschutz die ermittelnde Sonderkommission nur zögerlich über potenzielle rechtsextreme Täter informiert habe. Auch der Bundesverfassungsschutz gab keine Unterstützung, wie ein Beamter sagte.

Neonazi-Terror: Die Chronologie der Morde
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Foto: dapd

Nach einer Fallanalyse zu der Mordserie aus dem Jahr 2006, in der von einem möglichen rechtsextremen Hintergrund die Rede gewesen war, hat die einstige Sonderkommission nach Angaben ihres damaligen Chefs Wolfgang Geier Auskünfte über Rechtsextremisten beim bayerischen Verfassungsschutz angefordert. Eine Liste mit über 200 Namen sei erst über ein halbes Jahr später auf Nachfragen übermittelt worden. "Ich fand das nicht normal, deshalb habe ich nachgebohrt", sagte Geier im Ausschuss.

Von einer FBI-Studie, die ebenfalls einen ausländerfeindlichen Hintergrund in Betracht zog, habe er keine Kenntnis gehabt, sagte Geier. Zudem habe das Bundesamt für Verfassungsschutz nicht auf seine Bitte reagiert, ihm Ansprechpartner für seine Ermittlungen zu nennen.

Geier schilderte vor dem Ausschuss ausführlich die Ermittlungsarbeit der Sonderkommission, die zunächst von einem Hintergrund aus dem Bereich der organisierten Kriminalität ausgegangen war. Zur Rolle des Bundeskriminalamtes sagte er, dies habe entgegen dem Vorschlag aus anderen Polizeibehörden nicht die Ermittlungsführung übernommen, sondern lediglich eine Steuerungs- und Koordinierungsgruppe eingerichtet.

Der CDU-Vertreter im Ausschuss, Clemens Binninger, nannte das Verhalten der bayerischen Verfassungsschützer "deprimierend und schlecht". Die Ämter müssten wissen, dass sie nicht "auf einer Insel" seien. Auch der Grünen-Vertreter Wolfgang Wieland kritisierte, die Ermittler hätten vom Bundesverfassungsschutz keine Hilfe erhalten. Die mangelnde Kooperationsbereitschaft auch der Landesbehörden "wirft kein gutes Licht auf den Föderalismus". Der Vorsitzende des Ausschusses, Sebastian Edathy (SPD), nannte das Vorgehen "merkwürdig", die Linken-Abgeordnete Petra Pau sagte, sie sei "entsetzt".

Soko-Chef räumt Fehler ein

Der frühere Soko-Chef Geyer räumte vor dem Ausschuss zudem ein, dass seine Kommission von Tätern aus dem Großraum Nürnberg ausgegangen sei, was sich inzwischen als falsch herausstellte. "Das war ein Fehler", sagte Wieland. Er verwies darauf, dass sich die Morde an den Migranten in mehreren Bundesländern zugetragen hätten. Deshalb sei die Eingrenzung auf mögliche Täter aus dem Raum Nürnberg "nicht rational" gewesen.

Die SPD-Abgeordnete Eva Högl sagte, es stelle sich die Frage, ob "Eitelkeiten" bei der Staatanwaltschaft Nürnberg-Fürth verhindert hätten, einem möglichen rechtsextremen Hintergrund intensiver nachzugehen. Die Staatsanwälte hätten befürchtet, dass die Bundesanwaltschaft die Ermittlungen an sich zieht, wenn ein neonazistischer Hintergrund weiter verfolgt werde.

Der Zwickauer Zelle werden neun bundesweit begangene Morde an Migranten sowie die Tötung einer Polizistin zur Last gelegt. Der Untersuchungsausschuss setzte seine Sitzung am Nachmittag mit der Vernehmung weiterer Soko-Beamter und eines Staatsanwaltes fort. Zur Aufklärung der Ermittlungspannen bei der Aufklärung der Mordserie haben neben dem Bundestag auch die Landtage von Thüringen und Sachsen Untersuchungsausschüsse eingesetzt.

(AFP)
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