Mindestens zehn Tote Sorge um Obdachlose bei Eiseskälte

Frankfurt/Main (RPO). Die Stadt Düsseldorf hat am Rhein ein winterfestes Zelt mit Schlafplätzen aufgestellt. Es bewahrt Obdachlose vor der klirrenden Kälte bewahrt. Auch im Rest der Republik sorgen sich viele um Menschen ohne Dach über dem Kopf. Mindestens zehn sind bereits erforen.

 Um die Obdachlosen - wie hier auf der Düsseldorfer Kö - geht in vielen Städten die Sorge um.

Um die Obdachlosen - wie hier auf der Düsseldorfer Kö - geht in vielen Städten die Sorge um.

Foto: RP, Andreas Bretz

Ein Obdachloser lief in Frankfurt barfuß über Schnee und Eis. Ihn fragte man nicht lange, sondern beförderte ihn in eine warme Unterkunft. Zu einer solchen Zwangseinweisung komme es nur dann, wenn jemand sich selbst gefährde, sagte Christine Heinrichs vom Frankfurter Verein für soziale Heimstätten der Nachrichtenagentur DAPD. Sie weiß, dass bis zu 40 Obdachlose trotz klirrenden Frosts derzeit in der Stadt im Freien übernachten und sich weigern, sich in ein Gebäude bringen zu lassen.

Dennoch ist schon seit Jahren kein Obdachloser mehr in Frankfurt erfroren. Die sogenannten Kältetoten dieses Winters - nach offiziellen Angaben sind es bisher mindestens zehn - wurden zumeist in kleinen und mittleren Städten aufgefunden. Die Dachorganisation der Einrichtungen und sozialen Dienste für Wohnsitzlose erklärt dies damit, dass es bisher nur in den großen Städten "Kältebusse" und ähnliche Dienste gibt. Der Sprecher Thomas Specht sagte, früher seien im Winter jeweils bis zu 25 Menschen erfroren. "Die Zahl ist deutlich zurückgegangen."

In Frankfurt ist seit 17 Jahren der Kältebus im Einsatz. Ab 1. November suchen die Mitarbeiter des Vereins die bekannten Schlafstellen auf. "Obdachlose sind sehr 'reviertreu', sie wohnen an einem bestimmten Ort", erklärte Heinrichs. Rund 50 Männer und Frauen, die - meist aufgrund einer psychiatrischen Erkrankung - nicht selbst für sich sorgen können, sind registriert auf einer "Liste der vital gefährdeten Personen".

Von den rund 1800 Wohnsitzlosen in Frankfurt schlafen 70 bis 80 regelmäßig im Freien, obwohl es mehr als genug - nämlich 2100 - Notunterkünfte gibt. 30 bis 40 Obdachlose, darunter auch illegal hier lebende Ausländer, suchen bei Frost die unterirdische Bahn-Anlage an der Hauptwache auf. Bedrängen dürfe man die anderen nicht zu sehr, sonst würden sie einen anderen Platz suchen und schwer auffindbar sein, sagte Heinrichs. "Wer partout nicht will, wird mit Schlafsack und Isomatte und Getränken versorgt." Die Kosten des Dienstes belaufen sich auf 100.000 Euro pro Saison und werden von der Stadt getragen. Diese sei dazu verpflichtet, weil Obdachlosigkeit nach dem Gesetz als "Ordnungswidrigkeit" gelte.

Diakonie serviert heißen Tee

Die Leiterin des Sozialzentrums in Essen, Petra Westermann, erklärte, manche Obdachlose seien mit Zelt und Campingheizungen relativ gut ausgestattet und wollten einfach im Freien bleiben. Es kommt nach ihren Angaben immer wieder vor, dass Menschen völlig durchgefroren von Passanten oder der Polizei aufgelesen werden. "Wir sind froh, wenn uns dann jemand informiert oder die Menschen zu uns gebracht werden", sagte Westermann.

Auch in Düsseldorf gibt es solche Hilfen. Oberbürgermeister Dirk Elbers eröffnete erst kürzlich an der Unteren Rheinwerft ein Notfallzelt. Sozialamtsleiter Roland Buschhausen sagte: "Streetworker und Mitarbeiter der Ordnungs- und Servicedienste sprechen Obdachlose bei Rundgängen im gesamten Stadtgebiet gezielt darauf an, ob sie nicht lieber in eine der Notschlafstätten kommen wollen, statt draußen zu bleiben." Nach Schätzungen leben in der Landeshauptstadt etwa 150 bis 200 Menschen auf der Straße.

In Wiesbaden haben die bitterkalten Winternächte nach Einschätzung der Stadtverwaltung bislang zu keinen Problemen für Obdachlose geführt. So wird die Teestube der Diakonie gut genutzt.

In Hamburg bringt ein von der Sozialbehörde finanzierter Pendelbus des Caritasverbandes Obdachlose jeden Abend kostenlos von der Bahnhofsmission zur Wohnunterkunft. Im März 2009 wurden dort 1029 Menschen gezählt, die überwiegend oder ausschließlich auf der Straße leben, das sind 20 Prozent weniger als bei der Zählung im Jahr 2002.

In Berlin erfroren drei Männer: Am 3. Dezember wurde ein 55-jähriger Obdachloser in Friedrichshain tot aufgefunden. Am 22. Dezember starb ein 74-Jähriger in Kreuzberg und am 29. Dezember ein 50-Jähriger in Wilmersdorf auf einer Parkbank - ob es Obdachlose waren, ist nicht geklärt. Die Direktorin des Diakonischen Werks, Susanne Kahl-Passoth, sagte, die Notübernachtungsplätze seien überfüllt.

Die Stadt Potsdam hat ihre Obdachlosenunterkunft für die kalten Tage angewiesen, niemanden abzuweisen, auch wenn die Plätze bereits belegt sind. Darüber hinaus gibt es eine Suppenküche der Volkssolidarität sowie eine Ausgabestelle für Lebensmittel der Hilfsorganisation "Potsdamer Tafel", die sich bei Bedarf auch um Frierende kümmern. Einen Kältebus gibt es nicht. "Dafür ist die Stadt zu klein", sagte ein Verwaltungssprecher. Etwa 150 Personen ohne festen Wohnsitz seien den Hilfsorganisationen in Potsdam bekannt.

(apd/ddp/kpl)
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