Studentin für hirntot erklärt Stille Trauer um Tugce — und auch Wut

Gießen · Mit Gebeten, Blumen und Geschenken nehmen die Menschen Anteil am Schicksal von Tugce A. Seit die Studentin für hirntot erklärt wurde, bekunden Freunde und Fremde ihr Mitgefühl. Ein Flur im Offenbacher Klinikum ist ihr Treffpunkt.

 Einige Besucher brachten handgeschriebene Verse und Gedichte mit.

Einige Besucher brachten handgeschriebene Verse und Gedichte mit.

Foto: dpa, brx fpt

Auf dem Fußboden stehen Blumensträuße, an den Wänden hängen bunte Plakate. "Gute Besserung" hat jemand auf einen gelben Zettel geschrieben und aufgeklebt. Ein "Unser Beileid"-Schnipsel hängt neben dem Wunsch "Kraft für die Familie".

Zusammen mit unzähligen Aufklebern in Deutsch und Türkisch umrahmen die Zettel drei Fotos der Studentin, die Opfer einer brutalen Prügelattacke wurde. Wie ein letzter Gruß zeigen die Bilder Tugce A. als fröhliches Mädchen mit Gießkanne in der Hand, stolz in Festkleidung und als strahlende junge Frau.

Vier Kommilitoninnen von der Uni Gießen sind am Donnerstag in die Offenbacher Klinik gekommen, um ihrer Mitstudentin zu gedenken. Ihr Weg führt vorbei am Weihnachtsbasar in die erste Etage. Dort bleiben die vier still vor den Plakaten stehen. Über Gefühle wollen die Frauen nicht sprechen, in ihren Augen glänzen Tränen.

Ein in der Klinik arbeitender Sozialpädagoge kommt regelmäßig zu dem Raum, in dem sonst die Familie der 22-Jährigen seit dem schrecklichen Geschehen am 15. November zusammengesessen hat.

Bis in die Nacht hinein hätten alle getrauert, sagt der Mann. "Aber die Mutter sitzt Tag und Nacht am Bett. Jetzt bestimmt auch", glaubt er. Die Angehörigen halten sich bedeckt: "Ja, wir sind traurig und wütend", sagt der Ehemann einer Cousine von Tugce A., bevor seine Frau zum Weitergehen drängt.

Manche klammern sich an einen Strohhalm: "Ihr Herz schlägt noch. Für uns Moslems ist jemand erst tot, wenn sein Herz nicht mehr schlägt", sagt ein türkische Geschäftsmann, der den Fall über die sozialen Medien verfolgt hat. Er gibt dem Personal des Schnellrestaurants, auf dessen Gelände Tugce A. mutmaßlich von einem 18-Jährigen geschlagen wurde, eine Mitschuld an dem Geschehen. Damit steht er nicht allein.

"Was ich nicht kapier', ist, dass der McDonald's nichts gemacht hat", sagt ein Klinik-Patient. Er will der Familie der jungen Frau eine Miniaturkrippe als Zeichen der Anteilnahme überreichen. Der Vater einer Tochter ist sauer auf die Justiz: "Die Typen kommen immer davon. Die Gesetze müssen schärfer werden."

Ein junger Mann bringt frische Blumen vorbei. Dann geht er in die Hocke und verharrt im stillen Gebet. Er habe Tugce nicht gekannt, sagt Taufi, aber ihrem Tun gebühre Respekt. In Gedanken seien er und seine Kumpel bei ihr.

Tugce soll nach Ansicht von Verwandten und Freunden in einem Akt von Zivilcourage versucht haben, einen Streit in dem Schnellrestaurant zu schlichten. Sie war nach Zeugenaussagen zwei Mädchen zur Hilfe geeilt, die im Toilettenbereich von mehreren jungen Männern, darunter dem mutmaßlichen Täter, belästigt wurden, wie die Staatsanwaltschaft bestätigte.

Zur Erinnerung an Tugce A. soll am Freitag, es ist ihr Geburtstag, am Abend eine Mahnwache vor dem Klinikum stattfinden.

(dpa)
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