Streit um Lärmschutzwall Die Münchner Mauer

München · Viele haben die Willkommenskultur in München vor gut einem Jahr bewundert. Doch nun baut die Stadt eine vier Meter hohe Mauer vor einem Flüchtlingsheim, das manche Anwohner von vorneherein nicht haben wollten.

 Diese vier Meter hohe Mauer steht im Münchner Stadtteil Neuperlach.

Diese vier Meter hohe Mauer steht im Münchner Stadtteil Neuperlach.

Foto: dpa, shp kno

Ein vier Meter hoher Wall soll die Nachbarn von einer neuen Flüchtlingsunterkunft in München abschotten. Kein schönes Bild ausgerechnet für die bayerische Landeshauptstadt, die sich für ihren Umgang mit dem Zustrom Tausender Flüchtlinge vor gut einem Jahr weit über Deutschlands Grenzen hinaus Anerkennung verschafft hat. Jetzt aber sind die Bilder der hässlichen Mauer nicht nur auf deutschen, sondern auch auf englischen, französischen und italienischen Internetseiten zu sehen, nachdem zuerst der "Münchner Merkur" darüber berichtet hatte.

Anwohner im Stadtteil Neuperlach haben die Mauer erstritten. Rund 160 junge, unbegleitete Flüchtlinge sollen dort in Kürze einziehen. Und Jugendliche machen nun mal manchmal Krach. "Wir wollen hier als Anwohner Ruhe haben am Samstag und Sonntag", begründet ein Passant die Klagen. Gegen einen Kindergarten oder eine Schule in unmittelbarer Nachbarschaft hätte er nichts, schließlich sei dort nur unter der Woche Betrieb. Aber die Flüchtlinge? "Die werden da sitzen und nichts zu tun haben", vermutet er. Und womöglich Fußball oder Volleyball spielen.

Viele wollen nicht nur den Lärm nicht, sondern auch keine Flüchtlinge

Lärm — das könnte aber auch nur ein Argument sein, das vor Gericht gute Chancen hat, vermuten manche. "Die Leute wollten gar keine Flüchtlinge haben. Jetzt müssen sie die Mauer angucken", sagt die Geschäftsführerin des Münchner Flüchtlingsrates, Monika Steinhauser.

Die Anwohner bekommen von dem Bauwerk aber fast nichts mit. Die Gärtchen der Reihenhaussiedlung sind eingewachsen. Nur vereinzelt lässt sich zwischen den Büschen und Ästen ein Blick auf die grauen Steinquader der Mauer erhaschen. Eine ruhige Idylle? Keineswegs. Auf der nahen Straße rauschen Busse, Autos und Lastwagen vorbei, die Gegend grenzt direkt an ein Gewerbegebiet.

Der Blick aus der Flüchtlingsunterkunft auf die Mauer hingegen ist trist, auch wenn das weiße Gebäude mit blauen und grünen Farbakzenten recht freundlich aussieht. Doch die Mauer ist allgegenwärtig. Graue Steine eingesperrt in Drahtkörbe.

Der Streit in München hat sich zwei Jahre hingezogen. Die Fronten seien "ein bisschen verhärtet" gewesen, sagt die für Soziales zuständige Dritte Bürgermeisterin Christine Strobl (SPD). Deshalb sei ein Lärmschutz als Kompromiss ausgehandelt worden, damit die Unterkunft endlich gebaut werden konnte. "Ich könnte mir das auch schöner vorstellen. Aber darum geht es nicht."

Guido Bucholtz, parteiloser stellvertretender Vorsitzender im Bezirksausschuss Ramersdorf-Perlach, ist ratlos: "Wie kann es bei uns sein, dass man zwischen Flüchtlingen und Anwohnern eine Mauer bauen muss mit dem fadenscheinigen Argument Schallschutz?", fragt er. "Das ist ein Signal, man schottet die Flüchtlinge ab, weil man sie eh nicht haben will."

Eine weitere Mauer schützt die Flüchtlinge vor dem Autobahn-Lärm

Kürzlich fuhr Bucholtz zur Baustelle, um den Fortschritt der Arbeiten zu dokumentieren, die Ende November fertig sein sollen: "Da stand ich vor dieser Mauer und war total entsetzt und erschrocken, was das für ein Monstrum ist." Einige Kilometer entfernt gibt es einen ähnlichen Wall. Der ist drei Meter hoch und soll Flüchtlinge vor dem Lärm der Autobahn schützen, die an ihrem Haus vorbeiführt.

"50 Meter von der achtspurigen Autobahn entfernt genügen als Schallschutz drei Meter, und in der Nailastraße sind es vier Meter", empört sich Bucholtz. Er filmte die Neuperlacher Mauer mit der Drohne und löste mit seinem Film ein ungeheures Medienecho aus. Doch dafür erntete er nicht nur Zuspruch, er wird auch mit rechten Hassmails überhäuft.

Walter Meyer vom Helferkreis Nailastraße bedauert die Entwicklung. Nicht zuletzt, weil gerade in Neuperlach seit Jahrzehnten Ausländer und Einheimische gut zusammenleben und sich um Integration bemühen, in einer Gegend mit öden Hochhäusern, aber günstigen Mieten und vielen Sozialwohnungen. "So negativ, wie das jetzt rüberkommt, ist dieser Stadtteil nicht", sagt Meyer.

Im Laufe der nächsten Monate sollen die ersten Flüchtlinge in das Heim einziehen. Steinhauser meint: "Nett finden sie das sicher nicht, eine Mauer zu haben, die sie von der Gesellschaft abschirmt, in die sie sich integrieren sollen."

(heif/dpa)
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