Germanwings-Flug 4U 9525 Streit um Schmerzensgeld der Lufthansa

Berlin · Für jeden Passagier des Germanwings-Flugs 4U 9525 will die Airline den Hinterbliebenen 25.000 Euro zahlen. Deren Anwälte nennen das Angebot beschämend. Sie hätten mindestens einen niedrigen sechsstelligen Betrag erwartet, heißt es.

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Germanwings-Opfer kommen heim

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Vor drei Monaten zerschellte die Germanwings-Maschine mit der Flugnummer 4U 9525 in den französischen Alpen. 150 Menschen kamen dabei ums Leben. Nun ist ein Streit um die Höhe des Schmerzensgeldes entbrannt. Die Konzernmutter Lufthansa hat den Hinterbliebenen pauschal 25.000 Euro für den Verlust eines Angehörigen angeboten. Zudem könnten die Familien 10.000 Euro für ärztliche Hilfe im Zusammenhang mit dem Absturz erhalten, hieß es am Dienstag in einem Bericht des Kölner "Express". Anwälte der Hinterbliebenen lehnten das Angebot aber als zu gering ab. 50.000 Euro hatte die Lufthansa engen Angehörigen der 150 Todesopfer bereits als Soforthilfe ausgezahlt und damit kurzfristig auf die größte Katastrophe in ihrer 60-jährigen Geschichte reagiert.

Den Absturz des Airbus am 24. März hatte Erkenntnissen deutscher und französischer Ermittler zufolge der Copilot absichtlich herbeigeführt. Nach achtminütigem Sinkflug war das Flugzeug auf dem Weg von Barcelona nach Düsseldorf gegen ein Felsmassiv geprallt. Der Copilot hatte das Manöver eingeleitet, nachdem der Flugkapitän das Cockpit kurzzeitig verlassen hatte. Von innen verriegelte er die Tür, so dass der Pilot nicht mehr ins Cockpit gelangen konnte. Weil der Copilot wegen psychischer Erkrankungen nicht flugtauglich war, wurde auch eine Verantwortung der Airline geprüft.

Germanwings: Die Unglücksstelle am Tag nach dem A320-Absturz
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Die Unglücksstelle am Tag nach dem Absturz

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Der Mönchengladbacher Anwalt Christof Wellens, der nach eigenen Angaben 30 Familien von Absturzopfern vertritt, sagte unserer Zeitung, dass er nicht annehme, dass die Opferfamilien auf das Angebot der Lufthansa eingehen werden. "Ich kann das Angebot der Lufthansa nicht nachvollziehen. Das ist beschämend und ein Witz", sagte Wellens. Es sehe eher danach aus, als ob es nicht gut vorbereitet worden sei. "Die Lufthansa sollte in Erwägung ziehen, dass sie mit so einem Angebot auch ihr Renommee beschädigen kann", sagte Wellens. Auch der Opferanwalt Elmar Giemulla bezeichnete die Summe als völlig unangemessen. Er erwarte Medienberichten zufolge mindestens einen "niedrigen sechsstelligen Betrag".

Die Lufthansa kann die Kritik hingegen nicht nachvollziehen. "Wir glauben, dass wir mit dem Angebot großzügig und pragmatisch agieren", sagte Michael Niggemann, Chef-Jurist der Lufthansa, unserer Redaktion. Wie der Konzern mitteilte, soll es zudem für Kinder und Jugendliche, die bei der Katastrophe Vater oder Mutter verloren haben, Hilfe für ihre Ausbildung geben. Bis zu 7,8 Millionen Euro würden dafür auf einem Treuhandkonto zur Verfügung gestellt, hieß es. Zudem werde ein Fonds eingerichtet, der über drei Jahre Hilfsprojekte der Angehörigen unterstützen soll. Ein Kuratorium soll über die Vergabe der Mittel entscheiden. Insgesamt stünden dafür bis zu sechs Millionen Euro zusätzlich zur Verfügung.

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Germanwings-Absturz - Ermittler zeigen Fotos der zweiten Blackbox

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Unterdessen hat eine Expertenkommission beim Bundesverkehrsministerium ihren Zwischenbericht vorgelegt. Das Gremium unter der Leitung des Verbandes der Deutschen Luftverkehrswirtschaft spricht sich in dem achtseitigen Papier dafür aus, dass sich Crewmitglieder an "Anlaufstellen" wenden können, wenn sie bei sich selbst oder bei Kollegen psychische Probleme feststellten. Zudem sollten weiterhin zu jedem Zeitpunkt zwei Personen im Cockpit sein. Diese nach dem Unglück kurzfristig eingeführte Regelung solle nach einem Jahr evaluiert werden, hieß es weiter. Keine Änderung dürfe es hingegen an den verschließbaren Sicherheitstüren zum Cockpit geben. "Diese Funktion hat sich außerordentlich bewährt und muss erhalten bleiben", sagte Verbandschef Matthias von Randow.

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Bei Verkehrspolitikern stoßen die Vorschläge auf Zustimmung. "Der vorliegende Zwischenbericht bringt sinnvolle Lösungsansätze, um die bereits bestehende sehr hohe Sicherheit im Flugbereich falls nötig zu ergänzen", sagte der Vorsitzende des Bundestagsverkehrsausschusses, Martin Burkert (SPD). Die Grünen begrüßten die vorgeschlagenen Anlaufstellen. Es sei jedoch traurig, dass es erst ein solch schreckliches Ereignis brauche, um Verbesserungen bei diesen und ähnlichen Themen zu ermöglichen, kritisierte Stephan Kühn, verkehrspolitischer Sprecher der Grünen-Fraktion. So werde der Personalmangel beim Luftfahrtbundesamt nicht erwähnt. "Auch die Tatsache, dass die Bundesregierung bereits 2014 von der EU gerügt worden ist, wegen Verstößen gegen Verordnungen über Lufttüchtigkeitszeugnisse, ist bislang wenig bekannt", sagte Kühn.

(jd)
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