Bertelsmann-Studie Grundschulen fehlen in sieben Jahren 35.000 Lehrer

Gütersloh · Lehrermangel plagt bereits jetzt viele Grundschulen. In den nächsten Jahren soll sich das Problem noch verschärfen. Eine Studie warnt, dass 35.000 Pädagogen fehlen. Experten werfen Politikern Versäumnisse vor.

 Stundenausfall kann eine Folge des Lehrermangels an Grundschulen sein.

Stundenausfall kann eine Folge des Lehrermangels an Grundschulen sein.

Foto: dpa, cas jhe fux fdt

Der Lehrermangel an Grundschulen soll sich einer neuen Studie zufolge in den nächsten Jahren dramatisch zuspitzen. Nach Zahlen, die die Bertelsmann-Stiftung am Mittwoch in Gütersloh vorstellt, fehlen bis ins Jahr 2025 etwa 35.000 Lehrer für die ersten Schuljahre. Der Grund für den Mangel: Nach Berechnungen der Stiftung müssten bis 2025 knapp 105.000 neue Lehrer eingestellt werden, die Universitäten können bis dahin aber nur 70.000 Absolventen ausbilden.

In ihrer Rechnung gehen die Bildungsforscher Klaus Klemm und Dirk Zorn davon aus, dass 60.000 Pädagogen in den Ruhestand gehen und ersetzt werden müssten. Weitere 26.000 neue Lehrer seien nötig, um die bis dahin steigenden Schülerzahlen aufzufangen. Für den Ausbau von Ganztagsschulen würden außerdem 19.000 Lehrer benötig. Nach Zahlen der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) sind aktuell bundesweit rund 2000 Lehrerstellen an Grundschulen nicht besetzt.

"Gute Schule ist guter Unterricht und der wird durch gute Lehrer gemacht. Angesichts des bundesweiten Lehrermangels sollten sich die Länder die Lehrer nicht länger gegenseitig abwerben", forderte Jörg Dräger, Vorstand der Bertelsmann Stiftung. "Die Verantwortlichen sollten gemeinsame Lösungen suchen, um den Bedarf zu decken - und zwar ohne die Qualität einreißen zu lassen."

In der Zeit nach 2025 dürfte sich die Lage aufgrund der demografischen Entwicklung bei den Schülerzahlen wieder entspannen. Die Bertelsmann-Stiftung sieht drei Möglichkeiten, den vorübergehenden Bedarf an Grundschullehrern besser abzudecken. Die Forscher schlagen vor, den überwiegend weiblichen Pädagogen, von denen 40 Prozent in Teilzeitarbeit arbeiten, Anreize zum Aufstocken zu bieten. Auch könnten Grundschullehrer, die kurz vor der Pensionierung stehen, wieder mehr unterrichten. Die Autoren der Studie schränken aber ein, dass nur schwer einzuschätzen sei, wie diese Angebote angenommen würden, da sie auf Freiwilligkeit beruhen.

Quereinsteiger könnten Problem lösen helfen

Als dritte Möglichkeit schlagen die Autoren vor, Quereinsteiger ohne Grundschulstudium einzusetzen. In NRW ist bereits jetzt jeder zehnte neue Lehrer ein Seiteneinsteiger. "Flexible Zugangswege zum Lehrerberuf und pädagogische Qualität dürfen nicht im Widerspruch stehen. Wir brauchen einheitliche Standards für die Qualifizierung von Seiteneinsteigern. Dazu gehört auch genügend Zeit für berufsbegleitendes Lernen und für das Mentoring durch erfahrene Kollegen", so Dräger.

"Bei dem jetzt prognostizierten Lehrermangel für die kommenden Jahre müssen wir schnellstmöglich über Maßnahmen diskutieren, die aber generell Notlösungen sein werden", sagte Susanne Miller. Die Professorin lehrt und forscht zum Schwerpunkt Grundschulpädagogik an der Uni Bielefeld und ist Vorsitzende der Kommission "Grundschulforschung und Pädagogik der Primarstufe" in der Deutschen Gesellschaft für Erziehungswissenschaft.

Der Verband Bildung und Erziehung (VBE) wirft der Politik schwere Versäumnisse vor. "Es ist ein Armutszeugnis, dass eine Stiftung die Hausaufgaben der Politik machen muss, um zu einer realistischen Lehrerbedarfsprognose zu kommen", kommentierte VBE-Bundesvorsitzende Udo Beckmann die Studie.

(juju)
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