Bestimmte Gruppen von Migranten stärker diskriminiert Studie: Jeder fünfte Deutsche ist ausländerfeindlich

Leipzig · Mehr rechte Gewalt in NRW, Diskriminierung von Sinti und Roma und nicht zuletzt der Terror des NSU – all das gehört zur Realität in der Bundesrepublik. Eine neue Studie zeigt nun, wie verbreitet ausländerfeindliche Einstellungen in Deutschland noch immer sind. Zwar sinkt die Zustimmung zu rechtsextremen Einstellungen, allerdings wächst die ablehnende Haltung gegenüber einzelnen Gesellschaftsgruppen.

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Mehr rechte Gewalt in NRW, Diskriminierung von Sinti und Roma und nicht zuletzt der Terror des NSU — all das gehört zur Realität in der Bundesrepublik. Eine neue Studie zeigt nun, wie verbreitet ausländerfeindliche Einstellungen in Deutschland noch immer sind. Zwar sinkt die Zustimmung zu rechtsextremen Einstellungen, allerdings wächst die ablehnende Haltung gegenüber einzelnen Gesellschaftsgruppen.

Seit dem 1. Januar haben auch Rumänen und Bulgaren freien Zugang zum deutschen Arbeitsmarkt, und seither dreht sich die Debatte darum, wie viele derjenigen, die nach Deutschland kommen, gleich Hartz-IV-Leistungen beantragen. Die "Mitte-Studie" der Universität Leipzig, die seit 2002 durchgeführt wird, zeigt nun, dass rechtsextreme Einstellungen in Deutschland zwar weniger verbreitet sind, bestimmte Gruppen von Migranten dafür aber umso stärker diskriminiert werden. Dazu gehören auch Sinti und Roma.

So beantworteten etwa 55,9 Prozent der mehr als 1400 Befragten auf die Frage, ob Sinti und Roma zu mehr Kriminalität neigten, mit Ja. Im Jahr 2011 lag die Zahl noch bei 44,2 Prozent. Doch diese Art der Diskriminierung betrifft nicht nur diese Bevölkerungsgruppe, sondern auch Muslime oder Asylbewerber im Allgemeinen. "Die Abwertung von Asylbewerbern ist mit 84,7 Prozent der Befragten in den neuen und 73,5 Prozent der Befragten in den alten Bundesländern sehr groß", heißt es in der Studie.

Studienleiter Oliver Decker sagt dazu: "Nicht Migrantinnen und Migranten im Allgemeinen werden abgelehnt, viele Deutsche denken nun: Die bringen uns was. Aber jene, die die Phantasie auslösen, sie seien grundlegend anders oder hätten ein gutes Leben ohne Arbeit, ziehen die Wut auf sich."

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Foto: dpa, fpt fdt

Höhere Ausländerfeindlichkeit im Osten

Die Studienmacher können immerhin vermelden, dass rechtsextreme Einstellungen (also Menschen, die ein geschlossenes rechtsextremes Weltbild haben) in der Bevölkerung 2014 im Vergleich zu den früheren Studien gesunken sei — von 9,7 Prozent auf 5,6 Prozent. Allerdings sei noch immer jeder fünfte Deutsche ausländerfeindlich (18,1 Prozent), fünf Prozent der Deutschen seien zudem antisemitisch eingestellt — dies sind zwei von mehreren Kategorien, nach denen die Studie fragt. Weitere Kategorien sind etwa die Befürwortung einer Diktatur (3,6 Prozent) oder die Verharmlosung der NS-Verbrechen (2,2 Prozent).

Auch gebe es eine hohe Zustimmung in der Kategroei "teils/teils" (zwischen zwölf und 31 Prozent, die "auf die latente Bereitschaft vieler Menschen" hinweise, "rechtsextremen Aussagen zuzustimmen", wie Elmar Brähler, Mitherausgeber der Studie bemerkt.

Nach den Studienergebnissen sind rechtsextreme Einstellungen häufiger bei Menschen mit niedrigerer Bildung vorhanden (6,8 Prozent bei Menschen mit Abitur; 20,8 Prozent bei den Befragten ohne Abitur). Zudem seien Chauvinismus und Ausländerfeindlichkeit nach wie vor im Osten der Republik häufiger zu beobachten als in Westdeutschland. So seien etwa 28,7 Prozent der Ostdeutschen der Meinung, Deutschland solle sich endlich wieder Macht und Geltung verschaffen. Auch die Aussage, Ausländer kämen nur nach Deutschland, um den Sozialstaat auszunutzen, stimmen im Osten mit 33,8 Prozent mehr Menschen zu als im Westen (27,5 Prozent). "Wo weniger Migranten und Migrantinnen leben, ist die Diskriminierung von 'Ausländern' stärker verbreitet", so Brähler. "Der Kontakt verhindert Vorurteile."

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Stärkste Anziehungskraft: AfD

Die Wissenschaftler zeigen in der Studie auch, dass rechtsextreme Einstellungen bei den Anhängern sämtlicher in der Bundesrepublik verbreiteten Parteien vorhanden sind. "Es fällt allerdings auf, dass die stärkste Anziehungskraft bei den Wählern mit einer ausländerfeindlichen, antisemitischen und chauvinistischen Einstellung neben den rechtsextremen Parteien die AfD hat", so Sozialwissenschaftler Johannes Kiess. So hatten 50 Prozent der befragten AfD-Anhänger eine ausländerfeindliche Einstellung, bei CDU und SPD waren es je etwas mehr als 17 Prozent.

Und auch in Bezug auf die EU stellt die Studie nach wie vor eine Skepsis der Deutschen fest, was sich bei der Europawahl sicherlich auch am Erstarken der Euro-Skeptiker der AfD zeigte — ebenso wie bei vielen populistischen und rechten Parteien in Europa. Zwar stimmen 40 bis 45 Prozent der Bevölkerung der EU zu, aber mehr als 50 Prozent können dem Staatenbündnis eben nicht so viel Positives abgewinnen. Und je rechtsextremer die Einstellung, umso häufiger werde die EU auch abgelehnt, so die Studienautoren.

(das)
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