Bibelwissenschaftler Theologe Erich Zenger gestorben

Münster (RPO). Der Münsteraner Theologe Erich Zenger ist tot. Er starb am Osterwochenende im Alter von 70 Jahren, wie eine Sprecherin der Universität Münster am Montag mitteilte.

Wenn Erich Zenger gefragt wurde, wie Christen das Alte Testament lesen sollen, antwortete er: "Als Erstes." Für ihn war das eine Frage der Reihenfolge und der Wertigkeit. Darüber konnte er dozieren, predigen, streiten, mit einer ständig angerauten Stimme, stakkatohaften Sätzen, mit unerschöpflichem Esprit und lebhaften Gesten. Das Volk Israel, so betonte der katholische Priester und Bibelwissenschaftler unermüdlich, war und bleibt das Volk, mit dem Gott seinen Bund geschlossen hat, unverbrüchlich trotz aller Wirrungen. Der Rest, das zweite, Neue Testament, ist deutende Erzählung - "Midrasch", wie die Juden sagen.

Eine Würdigung seines Engagements erhielt der temperamentvolle Oberbayer im vergangenen Jahr mit der Buber-Rosenzweig-Medaille, der renommiertesten Auszeichnung für christlich-jüdische Verständigung in Deutschland. Der verleihende Koordinierungsrat der Gesellschaften für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit ehrte ihn als "beharrlich wirkenden Förderer" des Dialogs. Zenger stehe überkonfessionell für den "Weg der Erneuerung der Christen in ihrem Verhältnis zu den Juden".

Dieses Verhältnis begleitete Zenger über seine gesamte wissenschaftliche Laufbahn, die ihn zu einem der profiliertesten und maßgeblichen Alttestamentler werden ließ. Am 5. Juli 1939 in Dollnstein am Altmühltal geboren, studierte er Theologie und Altorientalistik in Rom, Jerusalem, Heidelberg, Münster und Würzburg. Seine Priesterweihe empfing er 1964 in Rom - ein Jahr bevor das dort tagende Zweite Vatikanische Konzil mit der Erklärung "Nostra aetate" das Verhältnis der katholischen Kirche zum Judentum grundsätzlich neu ausrichtete.

Seine erste Professur übernahm Zenger 1971 im bayerischen Eichstätt. Seitdem setzte er sich in der Exegese und darüber hinaus für die christliche Anerkennung einer eigenen Dignität des Judentums und seiner heiligen Schrift ein. Das "Alte Testament", so Zenger, sei keinesfalls mit "veraltet" oder "überholt" gleichzusetzen. Dass das "Alte Testament" als "Erstes Testament" zu gelten habe, vermittelte er während seines über 30-jährigen Wirkens ab 1973 an der Universität Münster in Westfalen, aber auch an Generationen von Studierenden im ökumenischen Studienprogramm der Dormitio-Abtei in Jerusalem. Dort, im Heiligen Land, hatte er selbst als junger Theologe sein Damaskuserlebnis gefunden, eine tiefe Sensibilität für interreligiöse Beziehungen wie für die politische Dimension der Theologie.

Neben seiner dichten Lehr- und Forschungstätigkeit mit einem Schwerpunkt auf den Psalmen und den fünf Büchern Mose engagierte sich Zenger seit 1976 im Gesprächskreis "Christen und Juden" beim Zentralkomitee der deutschen Katholiken. Seit 1994 gehörte er zudem der Arbeitsgruppe zu "Fragen des Judentums" der Deutschen Bischofskonferenz an. Gedankenlosigkeiten gegenüber den Juden, unter denen er viele Freunde hatte, konnten ihn aufregen. Die traditionalistischen Piusbrüder nannte er "dümmlich", die Neufassung der Karfreitagsfürbitte im tridentinischen Ritus, in der für eine Christuserkenntnis der Juden gebetet wird, bezeichnete er als "ärgerlichen Rückschritt".

"Die Dynamik der Aufbrüche ist vielleicht zu behindern, aber nicht aufzuhalten - so denn in der Kirche der Geist Gottes am Wirken ist", sagte Zenger nach den Wirren um die Traditionalisten. Was die Hoffnung auf eine fortschreitende Aussöhnung mit den älteren Brüdern, den Juden, anging, war er ein Stehaufmännchen. Das gleiche galt für seine Gesundheit, die er mit seinem stets vollen Terminkalender auch nach seiner Emeritierung 2004 oft über die Maßen strapazierte. Im Jahr 2008 erlitt er einen gesundheitlichen Zusammenbruch, doch lange ließ sich sein Engagement nicht bremsen. Am Ostersonntag, nachdem die katholische Liturgie der Osternacht in den großen alttestamentlichen Lesungen das Heilshandeln Gottes im Ersten Bund besungen hatte, ist Erich Zenger im Alter von 70 Jahren in Münster gestorben.

(KNA)
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