"Thermifee" Eine Hausfrau wird zum Youtube-Star

Ense · Als "Thermifee" kocht die Sauerländerin Stefanie Holtz mit dem Thermomix und wachsendem Erfolg bei Youtube. Eigentlich seltsam, schließlich erfüllt die Hausfrau nicht das klassische Rollenbild der Online-Filmemacher.

 Alle mal herschauen - Stefanie Holtz hat Schmandschiffchen gebacken.

Alle mal herschauen - Stefanie Holtz hat Schmandschiffchen gebacken.

Foto: Screenshot Youtube

In der Küche, die beinahe eine normale Küche ist, versucht Stefanie Holtz Schmand in einen Topf zu geben. Sie dreht den Becher auf den Kopf. Drückt. Schüttelt. Der Schmand will nicht. "Leck mich doch anne Füße", sagt sie. Schließlich befördert sie den Schmand mit einem Löffel in den Topf. Stefanie Holtz kocht an diesem Tag nicht nur für sich. Auch nicht nur für ihren Mann und ihre drei Kinder. Sie kocht für Tausende. Rechts von ihr steht ein Stativ, in das sie ein Tablet geklemmt hat. Das Tablet filmt. Stefanie Holtz ist unter dem Namen "Thermifee" ein Youtube-Star. Aber was für einer.

Thermomix auf Youtube: Wie "Thermifee" zum Star wurde
Foto: Thermomix

Youtube ist ein junges Medium. Das bedeutet auch, dass sich dort vor allem junge Leute aufhalten und präsentieren. Mit amateurhafter Ausrüstung produzieren sie häufig erstaunlich professionelle Videos, rasant geschnitten. Stefanie Holtz aber ist 45 Jahre alt, dreifache Mutter, Hausfrau und wohnt in einem gelbgestrichenen Einfamilienhaus in einem Neubaugebiet in Ense am Rand des Sauerlands im Kreis Soest. Die Rasen hier sind gemäht, die Hecken gestutzt. Holtz trägt eine weiße Plastikarmbanduhr und Birkenstock mit Blümchenmuster, die Kurzhaarfrisur hat blonde Strähnen. Wenn ihr jemand sagt, sie solle ihre Videos in HD drehen, sagt sie "Ich weiß gar nicht, wie das geht".

Das aber hat nicht verhindert, dass sie es im Youtube-Universum zu Ruhm gebracht hat. Wenn sie mit ihrem Thermomix kocht, diesem Küchengerät von Vorwerk, das alles und noch viel mehr können soll, erreichen die Videos im besten Fall über 100.000 Aufrufe. Rund 400 hat sie in ihrer Küche schon gedreht. Jeden Monat überweist ihr Youtube rund 500 Euro, ihre Beteiligung an den Werbeeinnahmen.

Von einer Gemeinde im Sauerland bis zu Youtube ist es ein weiter Weg. Er beginnt 2010 mit Tomaten-Basilikum-Dipp und Mousse au Chocolat. Eine Freundin hat Holtz zum Kochen mit dem Thermomix eingeladen. Holtz ist Kochmuffel, sogar Spaghetti Bolognese macht sie mit Fertigtüten. Doch mit diesem Thermomix geht alles so einfach und schnell und dann schmeckt es auch noch. Sie will das Ding unbedingt haben. Den Widerstand ihres Mannes bricht sie, indem sie ihm den saftigsten Lachs seines Lebens mit einem geliehenen Gerät zubereitet.

Als Holtz bei Youtube nach Rezepten sucht, stellt sie fest, dass es dort fast nichts auf Deutsch für den Thermomix gibt. Also muss sie selbst ran. Sie hat keine Ahnung von Youtube und Filmen - egal. Sie kauft sich eine billige Schnittsoftware, stellt zwei umgedrehte Schüsseln nebeneinander, legt ein Holzbrett drüber und stellt darauf das Handy. Ein Stativ besorgt sie sich erst später. Beim ersten Dreh im August 2011 sitzt ihr Mann fünf Meter entfernt am Schreibtisch. Sie spürt die Blicke und beschließt, kein zweites Video zu drehen. Doch weil positive Kommentare eintreffen, ändert sie ihre Meinung.

Wer Holtz' erste Videos mit den neuesten Clips vergleicht, stellt fest: Viel verändert hat sich nicht. Zu sehen ist in der nicht gerade gut ausgeleuchteten Küche eine Frau in Bluse und Hose, die von Hackbällchen bis Puddinghörnchen alles zubereitet. Jedes Mal zum ersten Mal. Das Reden fällt ihr nicht schwer. Dass sie in Gelsenkirchen aufgewachsen ist, verheimlicht sie nicht. Läuft etwas schief, schneidet sie es später nicht raus. Wenn sie Zimt nimmt statt Curry. Wenn Familienmitglieder ins Bild laufen. Wenn der Reis umkippt und sie ihn wegsaugt. Wenn sie über den Hund stolpert. Das ist ein Grund für den Erfolg. Während andere sich nur authentisch geben, ist sie authentisch.

Das ist auch an diesem Tag so, als sie Schmandschiffchen zubereitet. "Oh, der Hund kratzt", sagt sie, während sie den Teig wälzt, "jetzt geht's nicht." Der Hund bleibt erst mal im Garten. Als sie die Teigkugeln formt, wird sie unsicher. "Ich weiß nicht, wie groß die werden. Hinterher hat man da wer weiß was für Ballermänner." Derweil trudeln die zwei Söhne ein, neun und elf, und die 13-jährige Tochter, setzen sich an den Tisch und warten aufs Essen.

Nachdem Holtz die Kinder versorgt hat, muss sie nur noch die Schmandschiffchen vor der Kamera probieren. Derweil läuft ihr Sohn im Hintergrund herum, weil er eine Fliege auf den Schmandschiffchen für Papa entdeckt hat. "Mach die Fliege weg!", ruft Holtz. Er nimmt sich eine Fliegenklatsche und geht auf Jagd. Holtz wirft einen Handkuss in die Kamera. "Passt auf Euch auf. Tschüüüs."

Noch am selben Tag wird sie das Video online stellen. Sie setzt bloß die Clips hintereinander, sorgt für Übergänge und stellt ein blau-lilafarbenes Intro davor. Gleich in ihrem ersten Video, als sie einen Pflaumen-Schmand-Kuchen backte, lief während des Drehs ihr Sohn ins Bild. "Ich freu mich, dass du jetzt gerade kommst, hömma", sagt sie.

"Machst du was wie der da im Fernsehen?"

"Natürlich. Meinst du, ich kann das nicht?"

(seda)
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