Kein Allheilmittel Trennung auf Zeit weckt neue Vorlieben

Hamburg (rpo). Es kracht immer häufiger und spitze Bemerkungen zermürben die Liebe. Nach einigen Ehejahren kennen Paare ihre Schwächen ganz genau. Doch Schluss machen ist keine Lösung - schon allein wegen der gemeinsamen Kinder. Manchmal hilft eine Trennung auf Zeit dabei, alte Bedürfnisse und neue Vorlieben zu entdecken.

 Auch wenn die Sonne lacht, fühlen sich Verlassene und unglücklich Verliebte schrecklich. In der Liebeskummerpraxis erzählen sie von ihrer Verzeiflung.

Auch wenn die Sonne lacht, fühlen sich Verlassene und unglücklich Verliebte schrecklich. In der Liebeskummerpraxis erzählen sie von ihrer Verzeiflung.

Foto: ddp, ddp

"In bestimmten Situationen kann die Trennung auf Probe ein Befreiungsschlag sein", sagt Mathias Jung, Psychotherapeut am Dr.-Max-Otto-Bruker-Haus in Lahnstein. Sie gibt beiden Partnern Zeit, ihre Beziehung zu überdenken und sich über die eigenen Gefühle klar zu werden.

Wenn es in einer Fernsehserie mal wieder heißt "Ich glaube, es ist besser, wenn wir uns einige Zeit nicht sehen" dann hat das wenig mit dem psychologischen Konzept der strukturierten Trennung zu tun. "Die Trennung auf Probe ist keine Funkstille, sondern bedeutet harte Arbeit an der Beziehung", stellt Jung klar. Auch hilft sie nicht bei jeder Partnerschaftskrise. "Sinnvoll ist sie, wenn das Paar nicht weiß, ob und wie es zusammen weitermachen soll", sagt der Therapeut. Wichtig sei außerdem, dass sich beide ernsthaft darauf einlassen.

Dafür müssen die Partner die Regeln für ihre Trennung auf Probe festlegen. "Zunächst sollten die beiden einen geeigneten Zeitraum vereinbaren", sagt Mathias Voelchert, Paar- und Organisationsberater in München. Diese Phase sollte zwischen einem Monat und einem halben Jahr dauern. Hilfreich ist es, wenn einer der Partner aus der gemeinsamen Wohnung ausziehen kann. "Manchen Paaren reichen aber auch getrennte Zimmer aus", berichtet Voelchert.

Genaue Vereinbarungen sind für viele Bereiche des Alltags nötig. Es müssen Lösungen für die Kinder oder gemeinsame Verpflichtungen gefunden werden. Dann ist da das Finanzielle: Wer trägt die laufenden Kosten, und was ist mit zusätzlichen Ausgaben, etwa für ein Hotelzimmer oder den Waschsalon? "Regeln muss das Paar auch, wann und wie es sich in der Trennungszeit treffen will", sagt der Berater. Wollen die beiden in der Trennungszeit miteinander schlafen? Sind Flirts oder Sex mit anderen Partnern erlaubt?

"Ganz wichtig ist die Absprache, dass während der Trennungsphase keine Entscheidung über die Zukunft der Partnerschaft gefällt wird", rät Voelchert. Die Partner sollten in dieser Zeit vor allem ihre eigenen Gefühle beobachten. "Einige Paare sind über die Jahre zu einer Art Zwei-Komponenten-Kleber geworden und haben sich ganz auf den anderen eingestellt" sagt Jung. Während der Trennung auf Probe würden viele dann alte Bedürfnisse oder neue Vorlieben entdecken.

Tagebücher helfen in der Krise

In der Phase der Trennung sollten beide Partner Tagebuch führen. Hier können sie ihre wechselnden positiven und negativen Gefühle für den anderen festhalten. "Auch Überlegungen zur Partnerschaftskrise gehören in das Tagebuch", rät Jung. Jeder sollte sich fragen, wie er einzelne Aspekte der Beziehung findet. Wie steht es etwa mit dem gegenseitigen Respekt, gemeinsamen Interessen oder der Sexualität?

Die Partner sollten sich möglichst auch während der Trennungsphase treffen und über ihre Gefühle sprechen. Diese Verabredung kann auch bei einem Eheberater oder Paartherapeuten stattfinden. "Meist hilft es, wenn sich das Paar professionell beraten lässt", sagt Voelchert. Der Mentor kann durch Einzeltermine und gemeinsame Sitzungen den Prozess der Trennung auf Probe begleiten.

Während dieser Zeit sollte sich das Paar nicht von den Reaktionen seiner Umwelt beirren lassen. "Eine Trennung auf Probe löst in einigen Familien und Freundeskreisen heftige Zustimmung oder einen Sturm der Entrüstung aus", berichtet Voelchert. Dies kann auch Jung bestätigen: "Es hilft immer, mit anderen über seine Probleme zu reden, vor klugen Ratschlägen muss man sich aber in Acht nehmen". Die Partner sollten darauf vertrauen, dass sie im Verlauf der Probephase Gewissheit bekommen, ob sie sich trennen möchten oder an der Beziehung arbeiten wollen.

"Als Ergebnis der Trennung auf Probe stehen dem Paar grundsätzlich alle Möglichkeiten offen", betont Voelchert. Die Bandbreite reiche vom Zusammenbleiben in bisheriger Form bis zur endgültigen Trennung. Einige Paare wohnten zum Beispiel getrennt, führten ihre Beziehung aber weiter. Andere lebten mit ihren Kindern zusammen in einem Haus, suchten sich aber neue Partner. Fühle ein Paar, dass es noch Gemeinsamkeiten gibt, sollte es die Beziehung neu gestalten. "Wenn beide das wollen, gibt es auch immer eine gute Lösung für beide", sagt der Münchner Berater.

(afp2)
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