Mutmaßlicher NSU-Helfer V-Mann-Verdacht gegen Wohlleben

Hamburg · Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) geht dem Hinweis nach, dass ein weiterer Beschuldigter im Ermittlungsverfahren gegen die Terrorzelle Nationalsozialistischer Untergrund (NSU) möglicherweise vor zehn Jahren in der rechtsextremistischen NPD V-Mann für eine deutsche Sicherheitsbehörde war.

Das Neonazi-Trio und seine Helfer
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Foto: dapd, BKA/Ostthueringer Zeitung

Wie der "Spiegel" unter Berufung auf Sicherheitskreise berichtet, soll es sich dabei um den langjährigen NPD-Kader Ralf Wohlleben handeln, der seit November 2011 als mutmaßlicher Terrorhelfer des NSU in Untersuchungshaft sitzt. Die Bundesanwaltschaft wirft Wohlleben Beihilfe zu mehrfachem Mord vor; unter anderem soll der Rechtsextremist eine zentrale Rolle bei der Beschaffung der Pistole gespielt haben, mit der die Terrorzelle zwischen September 2000 und April 2006 neun Einwanderer ermordete.

Anwältin: Wohlleben kein V-Mann

"Ich habe inzwischen mit meinem Mandanten gesprochen. Er hat zu keinem Zeitpunkt mit irgendeiner Sicherheitsbehörde zusammengearbeitet", sagte Anwältin Nicole Schneiders der Tageszeitung "Die Welt".

Der Hinweis auf die mögliche, frühere V-Mann-Tätigkeit Wohllebens geht nach Informationen des "Spiegel" offenbar auf einen Bundesanwalt zurück. Vor seinem Wechsel nach Karlsruhe habe der Jurist den Angaben zufolge als Unterabteilungsleiter im Bundesinnenministerium gearbeitet, wo er unter anderem für das 2003 gescheiterte erste NPD-Verbotsverfahren zuständig gewesen sei. Er meine sich erinnern zu können, so berichtete er gegenüber den ermittelnden Karlsruher Kollegen, den Namen Wohlleben damals im Zusammenhang mit V-Leuten gesehen oder gehört zu haben, die seinerzeit innerhalb NPD aktiv gewesen sein sollen.

NPD-Verbotsverfahren gefährdet?

Friedrich sieht derweil ein mögliches NPD-Verbotsverfahren in Gefahr, weil das gegen die Partei gesammelte Material teilweise in Medien veröffentlicht wird. "Es handelt sich um vertrauliches Material für die Innenministerien der Länder. Wenn das so weiter geht, gefährden wir das Verfahren, noch bevor wir über ein Verbotsverfahren überhaupt entschieden haben", kritisierte Friedrich in der "Welt" (Mittwoch).

Der Vorsitzende der Innenministerkonferenz, Mecklenburg-Vorpommerns Ressortchef Lorenz Caffier (CDU), sieht das ähnlich: Er könne nur hoffen, dass "kein Schaden für das Verfahren entsteht und der NPD und ihrer Verteidigungsstrategie nicht letztlich nur in die Hände gespielt wird", sagte er der Zeitung.

Für den Vorsitzenden des Innenausschusses im Bundestag, Wolfgang Bosbach (CDU), ist ein etwaiges Verbotsverfahren bereits infrage gestellt. "Je mehr jetzt aus einer Materialsammlung gegen die NPD zitiert wird, desto größer sind die Prozessrisiken. Und desto stärker stellt sich die Frage, ob ein Verbotsverfahren überhaupt noch Sinn macht."

Die Innenminister der Länder haben ihre Datensammlung zum Wirken der rechtsextremen NPD nahezu abgeschlossen und prüfen von Anfang Oktober an, ob die Faktenlage für einen neuen Verbotsantrag reicht.
Im Dezember wollen sie eine Entscheidungsvorlage für die Ministerpräsidenten beschließen, wie Caffier am Dienstag in einem dpa-Gespräch gesagt hatte.

Friedrich: V-Leute "unverzichtbar"

Der Verfassungsschutz ist nach Ansicht von Friedrich auf die Zusammenarbeit mit V-Leuten angewiesen. Diese Informationsquellen seien sowohl im politischen Extremismus als auch in der organisierten Kriminalität "unverzichtbar", sagte der Minister der Zeitschrift "Superillu".

"An dem Tag, an dem wir nichts mehr aus dem Innenleben der Neonazi-Szene erfahren würden, hätten wir ein großes Problem", sagte er weiter. Allerdings ist die Zusammenarbeit der Sicherheitsbehörden mit V-Leute in der rechtsextremen NPD umstritten. 2003 war ein Verbotsverfahren gegen die Partei aufgrund des Einsatzes von V-Leuten in der NPD-Spitze gescheitert.

Friedrich bekräftigte in dem Interview seine Entschlossenheit, die Mordserie der NSU umfassend aufzuklären. Seit dem Tag, an dem er mit den Angehörigen der Mordopfer gesprochen habe, fühle er sich moralisch unter Druck, erklärte er. "Ich habe versprochen, alles zu tun, dass umfassend aufgeklärt wird und die Täter bestraft werden. Dieses Versprechen will ich halten", versicherte er.

(APD/dapd/dpa)
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