Analyse zum Elternsein Vater werden ist nicht schwer, Vater sein dagegen sehr

Berlin · Deutschlands Väter möchten laut einer Studie am liebsten mehr Zeit mit ihren Kindern verbringen. Doch dieser Wunsch kollidiert mit dem Streben, der vollzeitarbeitende Ernährer der Familie zu sein.

Männer wollen gerne alles sein, alles machen, alles können — Ernährer der Familie und ein Idealbild des perfekten Vaters, der für seine Frau und seine Kinder da ist. Vor allem auf letzteres entfällt ein Großteil der väterlichen Bestrebungen. 81 Prozent der deutschen Väter sagen, viel Zeit mit den eigenen Kindern zu verbringen, mache einen guten Vater aus. 95 Prozent der Befragten, deren ältestes Kind drei Jahre oder jünger ist, waren bei der Geburt ihres Kindes dabei. Bei den "Erstvätern" sind es 73 Prozent. Neben der gemeinsamen Zeit mit den eigenen Kindern wollen viele Väter mit ihrem Einkommen dafür sorgen, dass die Familie wohlauf ist. Das geht aus einer repräsentativen Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Forsa in Zusammenarbeit mit der Zeitschrift "Eltern" hervor.

Allerdings hadern Deutschlands Väter mit ihrer Rolle innerhalb und außerhalb der Familie: Sie lieben es, Zeit mit ihren Kindern zu verbringen — möchten in mehr als der Hälfte der Fälle (54 Prozent) sogar noch mehr für sie da sein — aber wollen ihre Vollzeitarbeit nicht aufgeben. "Männer sind häufig überfordert, weil sie unbedingt diese Versorgerrolle ausfüllen wollen", sagt der Soziologe und Väterforscher Thomas Gesterkamp.

So arbeiten weiterhin neun von zehn Vätern ganztags. Was die Frauen aber wohl nicht weiter stört, denn nicht einmal ein Viertel von ihnen hält einen Rollentausch von Mann und Frau für erstrebenswert. Das hat eine Umfrage des Instituts für Demoskopie Allensbach Ende 2013 ergeben. Auch wollen Frauen laut der Umfrage meist nicht, dass ihre Männer für sie in Sachen Beruf zurückstecken.

Derzeit sind 89 Prozent der deutschen Väter vollzeitbeschäftigt, lediglich acht Prozent waren zum Zeitpunkt der Befragung in Teilzeit oder in Elternteilzeit. Zwei Prozent waren nicht berufstätig. In der Summe befürworten damit lediglich 22 Prozent der Väter das Teilzeit-Modell einer 32-Stunden-Woche, wie es Familienministerin Manuela Schwesig (SPD) vergangene Woche gefordert hatte. Schwesig wollte die Wochenarbeitszeit für beide Elternteile verringern. Den Lohnausfall sollte der Staat ausgleichen. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hatte den Vorstoß der neuen Familienministerin aber schnell als "persönlichen Debattenbeitrag" abgetan und klargestellt, dass es kein zusätzliches Geld für eine solche Forderung geben wird. Dabei sei das Modell gar nicht mal so schlecht, sagt Thomas Gesterkamp. "Der Vorschlag war viel zu schnell vom Tisch."

Dennoch scheint sich das Verständnis vom Kinderwagen schiebenden Vater immer mehr zu wandeln. 44 Prozent der befragten Väter haben schon einmal Elternzeit genommen, Tendenz in den vergangen Jahren steigend. Je mehr Kinder, desto bereitwilliger sind Väter zudem für Elternzeit. Dabei ist die Dauer meist auf zwei Monate beschränkt. Lediglich fünf der befragten 44 Prozent haben in der Vergangenheit eine Elternzeit über eine Dauer von sechs Monate genommen.

Die gleiche Entwicklung zeigt sich bei der Verteilung des Elterngeldes für Väter. Das Statistische Bundesamt ermittelte, dass seit der letzten Erhebung im Jahr 2009 immer mehr Väter Elterngeld in Anspruch genommen haben. Auf Länderebene führen weiterhin die Väter aus Sachsen (37,9 Prozent) und Bayern (37,5 Prozent) das Ranking an. In Nordrhein-Westfalen liegt der Anteil derzeit bei 22 Prozent.

Bei der Bezugsdauer des Elterngeldes verhält es sich ebenfalls wie mit der Elternzeit. Die meisten Väter beziehen das Geld nur für einen Zeitraum von zwei Monaten. Die restlichen zwölf Monate übernehmen in vielen Fällen die Mütter. Dass der Mann auch in diesen zwei Monaten ganz der Mann sein darf, zeigt Schweden. Hier nutzen viele der Väter die zwei Monate zur Elchjagd, weshalb das Elterngeld in Schweden scherzhaft auch Elchjagdinitiative genannt wird.

Fragt man deutsche Väter, wie ein Sohn oder eine Tochter das eigene Leben verändert hat, antworten 58 Prozent mit "mein Leben ist glücklicher und erfüllter geworden". Die Beziehung zur Partnerin leidet dagegen bei einem Großteil der Väter. 57 Prozent geben an, seit der Geburt des Kindes weniger Sex mit der Partnerin zu haben. Für Männer sei der Sex ohnehin häufig ein Indikator, um die Zufriedenheit in der Partnerschaft zu ermitteln, sagt Marie-Luise Lewicki, Chefredakteurin der Zeitschrift "Eltern".

Diese Diskrepanz zwischen dem glücklichen und dem zurücksteckenden Vater zeigt sich auch darin, dass ein Drittel der Väter angibt, seit der Geburt des Kindes kaum noch Zeit für sich zu haben. Thomas Gesterkamp beobachtet hier einen gesellschaftlichen Druck, dem sich viele Männer ausgesetzt sehen. Aus der Sozialwissenschaft gibt es den Begriff "sozialerwünschtes Verhalten". Ein Vater, der heutzutage nicht mehr bereit sei, mehr im Haushalt zu helfen oder gar als Hausmann zu arbeiten, sei in der Gesellschaft ein verstaubtes Modell, sagt Thomas Gesterkamp. Das bekannte Bild des deutschen Machos, der arbeitet, während die Frau zu Hause die Kinder hütet — so wollen deutsche Väter nicht dastehen. Daher werden sie womöglich gegenteilige Dinge von sich behaupten, um diesem Bild nicht zu entsprechen.

Dabei dürfe man vor allem die Hausarbeit nicht grundsätzlich mit bekannten Bildern wie Staub saugen, Küche putzen oder den Abwasch machen assoziieren. 88 Prozent der Väter geben laut der Forsa-Umfrage an, nur wenig bis überhaupt nicht im Haushalt zu helfen. "Das Auto reparieren oder die Finanzen regeln sind auch Haushalt", betont Thomas Gesterkamp. Selbst den Vätern sei das oft gar nicht bewusst, zumindest denen im Westen Deutschlands. Im Osten erledigen die Väter dreimal so häufig "einen großen Teil der Hausarbeit".

(jaco)
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