Mordfall Dennis Verdächtiger stand bereits wegen Missbrauchs vor Gericht

Verden (RPO). Der Alptraum hat fast 20 Jahre gedauert - doch nun dürfen die Eltern von drei kleinen Jungen aus der norddeutschen Küstenregion wenigstens auf die Gewissheit hoffen, dass der Mörder ihrer Söhne hinter Gittern sitzt. Der 40-Jährige hat außerdem mehrere Missbrauchsfälle gestanden. Die Justiz kannte den Mann, der schon einmal wegen Missbrauchs vor Gericht stand.

Der Mordfall Dennis
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Ein unauffällig lebender 40-Jähriger aus Hamburg hat gestanden, 1992 den 13-jährigen Stefan J., 1995 den achtjährigen Dennis R. und 2001 den neun Jahre alten Dennis K. getötet zu haben. Das Vorgehen war dabei immer gleich: Stefan J. entführte er aus einem Internat im niedersächsischen Scheeßel, Dennis R. aus einem Ferienlager in Selker Moor in Schleswig-Holstein und Dennis K. aus einem Schullandheim im niedersächsischen Wulsbüttel.

Vieles spricht dafür, dass die Ermittler damit einen als "Maskenmann" bekannt gewordenen Serienmörder und Kinderschänder gefasst haben, der seine erste Tat bereits vor fast zwei Jaehrzehnten beging. Das Aufatmen ist groß nicht nur bei der Polizei, die in Verden am Freitag ihren Erfolg bekannt gab, sondern überall in der Küstenregion. Schließlich hat der Mann auch gestanden, weitere Jungen in Schullandheimen, aber auch zu Hause überfallen und sexuell missbraucht zu haben. Insgesamt könnte er für mehr als 40 Missbrauchsfälle verantwortlich sein, die meisten davon im Raum Bremen.

Verdächtiger war der Justiz längst bekannt

Inzwischen ist bekannt geworden, dass der mutmaßliche Mörder des neunjährigen Dennis aus Osterholz-Scharmbeck und zweier weiterer Jungen nach diesen Verbrechen unerkannt zweimal wegen anderer Delikte in Hamburg vor Gericht gestanden hat. In beiden Fällen habe es weder Hinweise auf die Morde noch Anlass für dahingehende Ermittlungsansätze gegeben, sagte der Sprecher der Hamburger Staatsanwaltschaft, Wilhelm Möllers, der am Freitag.

Erstmals sei der heute 40-Jährige Martin N. 2005 wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern angeklagt worden. Er soll zwei sechs- und achtjährige Jungen in seiner Wohnung auf nackter Haut am Bauch gestreichelt haben, wie Möllers sagte.

Weil es sich um ein Vergehen "an der Grenze zur Straflosigkeit" gehandelt habe, sei der Fall jedoch vom Amtsgericht Hamburg-Harburg gegen eine Geldauflage von 1800 Euro eingestellt worden.

Im zweiten Fall musste sich der Mann ebenfalls 2005 wegen versuchter Erpressung vor dem Amtsgericht Harburg verantworten. Laut Anklage hatte er von einem Mann aus Berlin 20.000 Euro gefordert, ansonsten drohte er, Kinderpornos aus dessen Besitz zu veröffentlichen. Er wurde zu einer Freiheitsstrafe von zehn Monaten auf Bewährung verurteilt.

Der Mann habe diese Bewährungsfrist anstandslos bestanden, damit sei der Fall erledigt gewesen, sagte Möllers. Weitere Hinweise auf andere Straftaten habe es nicht gegeben.

Tatverdächtiger galt als "nett und intelligent"

Nach Polizeiangaben entspricht das Aussehen des 40-Jährigen weitgehend dem, was Zeugen immer wieder ausgesagt haben: Er ist ein kräftiger Mann, aber dennoch unauffällig. Vor zehn Jahren kam der Lehramtsanwärter aus seiner Geburtsstadt Bremen nach Hamburg, er arbeitete unter anderem als Betreuer bei Ferienfreizeiten und zuletzt war als Pädagoge in der Erwachsenenbildung.

Stets war die Polizei davon ausgegangen, dass sie einen ganz unauffälligen Mann sucht. Chefprofiler Alexander Horn zeigte sich deshalb nicht überrascht, welches Bild Nachbarn nun von dem Festgenommenen zeichnen. "Die schildern ihn als sozial unauffällig, nett, hilfsbereit, akkurat, zurückhaltend und intelligent." Lange Jahre lebte der Mann allein. "Damit unterlag er geringer sozialer Kontrolle", sagte Horn.

Dass der mutmaßliche Serienmörder nach so langer Zeit doch noch festgenommen werden konnte, ist das Ergebnis der von der Soko "Dennis" im Februar gestarteten neuen Öffentlichkeitsfahndung. Zwar erwies sich das zuvor vom einem Zeugen für den Mord an Dennis K. genannte verdächtige Fahrzeug als tote Spur. Aber es meldete sich ein Missbrauchsopfer aus dem Jahr 1995, das damals in der elterlichen Wohnung in Bremen überfallen worden war.

Angesichts der neuen Medienberichte erinnerte sich der Mann jetzt daran, dass sich wenige Monate vor dem Missbrauch ein Betreuer bei einer Ferienfreizeit ausführlich nach seiner Wohnsituation erkundigt hatte. Die Soko ging dem nach - und konnte am Mittwoch den mutmaßlichen Täter festgenehmen.

Mit genauen Auskünften zur Person und Details zu den Taten hielt sich die Polizei am Freitag allerdings zurück - auch weil sie jetzt der Frage nachgeht, ob der mutmaßliche Täter weitere Morde begangen hat. Denn auch die Morde an einem Jungen 1998 in den Niederlanden und einem weiteren Schüler 2004 in Westfrankreich waren mit dem "Maskenmann" in Verbindung gebracht worden. Damit wolle der 40-Jährige aber "nichts zu tun haben", sagte der Leiter der Soko "Dennis", Martin Erftenbeck.

Für die Ermittler steht nun weitere Fleißarbeit an. Mit Hilfe der Öffentlichkeit will die Polizei ein Jahrzehnte zurückreichendes Bewegungsbild des Verdächtigen zeichnen und unter anderem in Erfahrung bringen, welche Reisen der Mann gemacht hat. Für Profiler Horn steht bereits jetzt fest: "Es ist nicht auszuschließen, dass weitere Taten ans Tageslicht kommen."

(afp/apd/top)
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