Staat muss Daten löschen Verfassungsschutz hat Tausende Niedersachsen zu Unrecht im Visier

Hannover · Erst sah es so aus, als hätte der Verfassungsschutz in Niedersachsen zu Unrecht Daten von nur einer Handvoll Menschen gespeichert. Nach einer Kontrolle wird das wahre Ausmaß deutlich: 40 Prozent der Daten müssen gelöscht werden.

Staat muss Daten löschen: Verfassungsschutz hat Tausende Niedersachsen zu Unrecht im Visier
Foto: dpa, hoh lof

Der Verfassungsschutz in Niedersachsen muss fast 40 Prozent seiner gespeicherten Personendaten löschen, weil Menschen fehlerhaft oder viel zu lange in der Datei erfasst wurden. "Das ist erschreckend, weil es nicht um Versehen oder individuelle Fehler einiger weniger Mitarbeiter geht, sondern weil das System offenbar versagt hat und es keine Absicherung gab", sagte Innenminister Boris Pistorius (SPD) am Dienstag. Zuvor waren alle gespeicherten 9000 Personendaten überprüft worden. "Der Datenbestand muss jetzt schnellstmöglich bereinigt werden", so Pistorius weiter.

Insgesamt 3501 der 9004 gespeicherten Personendaten müssen nun gelöscht werden. 1937 Personendaten müssen umgehend aus der Datei verschwinden, weil es bereits für ihre Erfassung keine Grundlage gab.
Weitere 1564 müssen zeitnah entfernt werden, weil sie länger als zulässig gespeichert wurden.

Pistorius hatte die Kontrolle im vergangenen September angeordnet, nachdem der Verfassungsschutz erste Fälle der fehlerhaften Speicherung von Journalistendaten öffentlich gemacht hatte. Zwar habe es Hinweise auf extremistische Aktivitäten der Publizisten gegeben, die Daten hätten jedoch nicht dauerhaft gespeichert werden dürfen.

Teilweise wurden nach Bewertung der Kommission Minderjährige gespeichert, ohne dass es den dafür nötigen Gewaltbezug gab. Fälle von bürgerlichem Protest wurden als linksextremistisch eingestuft.
Regelmäßige Besucher der Freitagsgebete in als extremistisch eingestuften Moscheen landeten ebenso in der Kartei. Im Bereich Rechtsextremismus sei nach Bekanntwerden der NSU-Mordserie überreagiert und die Speicherfrist beobachteter Personen unangemessen stark verlängert worden.

An diesem Mittwoch will Pistorius den Kurs für die geplante Verfassungsschutzreform abstecken. "Der reformierte niedersächsische Verfassungsschutz muss seine Aufgabe zukünftig wesentlich klarer an den Grundrechten ausrichten und sensibel auf die Einhaltung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes achten."

Der Parlamentarische Geschäftsführer der CDU-Landtagsfraktion, Jens Nacke, empfahl dem Innenminister, sich die beanstandeten Fälle vor der Löschung genau anzusehen. "Wer einmal vom Radar verschwunden ist, taucht möglicherweise erst wieder auf, wenn es zu spät ist."

(dpa)
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