Kampf gegen den rechten Terror Versagt der Verfassungsschutz?

Düsseldorf · Die Bundesrepublik Deutschland versteht sich als wehrhafte Demokratie – das heißt, die Feinde der Demokratie sollen nicht im Schutz der freiheitlichen demokratischen Grundordnung eben diese von innen her zerstören dürfen. Deshalb kann das Bundesverfassungsgericht auf Antrag extremistische Parteien verbieten; deshalb etabliert das Grundgesetz (Art. 20 Abs. 4) ein Widerstandsrecht "gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen".

 Acht der Opfer, die den Mördern zum Opfer fielen.

Acht der Opfer, die den Mördern zum Opfer fielen.

Foto: dpa, Bernd Thissen

Die Bundesrepublik Deutschland versteht sich als wehrhafte Demokratie — das heißt, die Feinde der Demokratie sollen nicht im Schutz der freiheitlichen demokratischen Grundordnung eben diese von innen her zerstören dürfen. Deshalb kann das Bundesverfassungsgericht auf Antrag extremistische Parteien verbieten; deshalb etabliert das Grundgesetz (Art. 20 Abs. 4) ein Widerstandsrecht "gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen".

Und deshalb gibt es das Bundesamt für Verfassungsschutz in Köln und 16 Landesämter für Verfassungsschutz. Bundesweit arbeiten in diesen Behörden rund 2600 Mitarbeiter. So wie der Auslandsnachrichtendienst BND und der Militärische Abschirmdienst (MAD) gehört auch der jetzt ins Gerede gekommene Verfassungsschutz als Inlandsnachrichtendienst zu den Geheimdiensten.

Deren notwendigerweise konspirative Arbeitsweise birgt nach Ansicht von Brandenburgs Generalstaatsanwalt Erardo Rautenberg ein Problem; sei doch der Verfassungsschutz nicht verpflichtet, gewonnene Erkenntnisse über Straftaten zu melden. Aufgrund der gesetzlichen Pflicht, Erkenntnisse über Bestrebungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung zu sammeln und auszuwerten, verdächtige Aktivisten und Gruppen zu observieren, bedient sich der Verfassungsschutz auch sogenannter V-Leute. Das sind nicht notwendigerweise eingeschleuste Agenten oder geläuterte Extremisten, sondern vielfach beispielsweise Neonazis, die klamm sind und gegen Bezahlung aus dem Innenleben ihrer Organisation Wichtiges, Unwichtiges, womöglich Falsches ausplaudern.

Da offenkundig ein mörderisches Zwickauer Neonazi-Trio und ihr niedersächsischer Unterstützer ohne Erkenntnisse der Verfassungsschutzämter Thüringens und Niedersachsens agieren konnten, ist die Erschütterung über "das Versagen" des Inlands-Geheimdienstes groß. Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) sagte gestern im Deutschlandfunk, bei den Verbrechen in Serie habe die Aufklärung überhaupt nicht funktioniert. Die Justizministerin (die Innenminister sind für Verfassungsschutz zuständig) regte Behörden-Zusammenlegungen auf Länder-Ebene an.

Verfassungsschützer weisen Gerüchte zurück, man habe V-Leute-Kontakt zu der Neonazi-Gruppe unterhalten. Zugleich wird über Ausweispapiere für die Rechtsextremisten spekuliert, mit denen Behörden verdeckten Ermittlern eine andere Identität verschaffen. Laut "Frankfurter Allgemeine Zeitung" hielt sich ein inzwischen vom Dienst suspendierter Verfassungsschützer am 6. April 2006 in einem Kasseler Internet-Café auf, in dem die Neonazis den Betreiber Halit Yozgat erschossen hatten. Ermittlungen gegen den Verfassungsschützer wurden eingestellt. Die Zeitung schreibt, dass seinerzeit in der Wohnung des Verdächtigen Waffen gefunden worden seien.

Schon vor Jahren kam Thüringens Verfassungsschutz ins Gerede. So erhielt ein NPD-Funktionär 2001 als V-Mann rund 200 000 D-Mark für Tipps und Berichte. Damit unterstützte er den "Thüringer Heimatschutz", dem auch das mörderische Trio angehörte. Der Leiter des thüringischen Verfassungsschutzes schließt nicht aus, dass sein ins Zwielicht geratener Amtsvorgänger Helmut Roewer V-Leute auf eigene Rechnung geführt hat.

(RP/csr)
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