Studie zu Bildung Viele türkische Migranten überschätzen ihren Nachwuchs

Düsseldorf (RPO). Anwalt oder Arzt - wenn man türkische Migranten nach den Berufswünschen für die Kinder fragt, werden stets hohe Ziele angegeben. Doch zwischen Anspruch und Wirklichkeit klafft eine Lücke, denn viele Eltern überschätzen ihre Kinder und haben nur eine vage Vorstellung vom deutschen Schulalltag. Dies ist das Ergebnis einer Studie der Universität Bamberg.

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Foto: RP/Jürgen Laaser

Die Kinder sollen es einmal besser haben - das ist nicht nur das Ziel vieler deutscher Eltern. Auch Migranten, die im Laufe ihres Lebens nach Deutschland gekommen sind, wünschen sich für ihren Nachwuchs Wohlstand und beruflichen Erfolg. Für Einwanderer steht dabei vor allem das soziale Aufstiegsmotiv bei der Bildungswahl im Vordergrund, wie Wissenschaftler der Universität Bamberg jetzt in einer Studie herausfanden.

Für viele Migranten gilt: Was sie selbst schulisch und beruflich nicht erreichen konnten, sollen nun ihre Kinder schaffen. Hoher Bildung wird dabei ein besonderer Stellenwert beigemessen, schreiben die Wissenschaftler um Hans-Peter Blossfeld, Ilona Relikowski und Erbil Yilmaz, die für die Untersuchung etwa 2000 qualitative und quantitative Interviews durchführten. Für die Realisierung dieser Ziele setzen die Migranten große Hoffnung in das deutsche Bildungssystem.

Speziell bei türkischen Migranten ist diese Haltung ausgeprägt. Sie verfügen im Vergleich zu Einheimischen (aber auch zu anderen Einwanderergruppen) über niedrigere Bildungsabschlüsse und werden daher sehr häufig in den unteren Rängen der Berufshierarchie platziert. Zu Hause war ihnen der Aufstieg verwehrt, nun sollen ihre Nachkommen von den besseren Möglichkeiten in der neuen Heimat profitieren.

Dieser "Immigrant Optimism", so der Begriff in der Fachliteratur, ist weit verbreitet. Die Karriereorientierung von Berufstätigen mit Migrationshintergrund ist laut einer kürzlich veröffentlichten Umfrage der Bertelsmann-Stiftung stärker ausgeprägt als bei den deutschstämmigen Befragten. Insgesamt 89 Prozent sagen "Ich möchte beruflich weiterkommen"; 57 Prozent stimmen dem sogar "stark" zu. Von den Berufstätigen ohne Migrationshintergrund sind es lediglich 45 Prozent.

Diese erfolgsorientierte Haltung verbinden die türkischen Eltern mit hohen Ansprüchen, die oftmals realitätsfern sind. Bei türkischen Einwanderern sei die Diskrepanz zwischen den ambitionierten Zielen einerseits und den schwachen schulischen Leistungen der Kinder andererseits besonders ausgeprägt. Die Studie konnte nachweisen, dass der Optimismus durch eine nur vage Vorstellung vom Bildungssystem und vom Schulalltag genährt wird.

So werden Schulnoten und die eingeschränkte Wahlfreiheit beim Übertritt in die weiterführenden Schulformen weniger wahrgenommen als einheimische Eltern. Sie tendieren dazu, das Lernen und die Förderung der Schüler an die Lehrer zu delegieren. Vor allem türkische Migranten neigen dazu, die Schulleistungen ihrer Kinder stark zu überschätzen, was in besonders hohen Bildungszielen resultiert, heißt es.

Die Befunde der noch unveröffentlichten Studie hängen mit dem Grad der Integration zusammen. Gehen Migranten Beziehungen mit einheimischen Partnern ein und sind sie mit der deutschen Sprache, Kultur und Lebensweise besser vertraut, so schwächen sich deren teilweise unrealistische Bildungsziele deutlich ab. Dass insbesondere türkische Einwanderer solch hohe Erwartungen aufweisen, hängt nach Ansicht der Forscher mit der großen türkischen Gemeinde in Deutschland zusammen.

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