Flüchtlingsdebatte "Volksverräter" ist das "Unwort des Jahres"

Darmstadt · Das "Unwort des Jahres 2016" steht fest. Es lautet "Volksverräter". Das Wort sei ein "Erbe von Diktaturen" unter anderem der Nationalsozialisten, so die Begründung der Jury.

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Die Entscheidung gab die Sprecherin der "Unwort"-Jury, Sprachwissenschaftlerin Nina Janich, am Dienstag in Darmstadt bekannt. Als Vorwurf gegen Politiker sei er undifferenziert und diffamierend, erklärte die Expertenjury am Dienstag in Darmstadt. "Volksverräter ist ein Unwort im Sinne unserer Kriterien, weil es ein typisches Erbe von Diktaturen, unter anderem der Nationalsozialisten, ist."

Die Jury wies darauf hin, dass der Wortbestandteil "Volk", wie er in den Wörtern "völkisch" und "Umvolkung" gebraucht werde, ähnlich wie im Nationalsozialismus nicht für das Staatsvolk als Ganzes stehe, sondern für eine ethnische Kategorie, die Teile der Bevölkerung ausschließe und damit die Gültigkeit der Grundrechte für alle Menschen im Hoheitsgebiet der Bundesrepublik ausschließe.

Die sprachkritische Aktion verzichtete diesmal nach eigenem Bekunden bewusst darauf, weitere Unwörter zu nominieren. Damit wolle man der Kritik am Begriff "Volksverräter" mit seinem faschistischen und fremdenfeindlichen Hintergrund mehr Gewicht verleihen

Als "Volksverräter" war etwa Kanzlerin Angela Merkel auf Demonstrationen der islamfeindlichen Pegida-Bewegung beschimpft worden. Hintergrund ist die Asylpolitik der Bundesregierung. Auch Vizekanzler Sigmar Gabriel wurde mit dem Begriff verbal angegriffen. Bei einem öffentlichen Auftritt in Salzgitter zeigte er daraufhin mutmaßlich rechtsextremen Demonstranten den erhobenen Mittelfinger.

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Zum "Unwort des Jahres 2015" war der Begriff "Gutmensch" gewählt worden. Davor war "Lügenpresse" zum "Unwort" gekürt worden, 2013 lautete es "Sozialtourismus", 2012 "Opfer-Abo". Die "Unwort"-Aktion gibt es seit 1991.

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Die sprachkritische Aktion bestimmte nun zum 26. Mal das Unwort des Jahres. Nach ihrer Darstellung geht es darum, auf einen undifferenzierten, verschleiernden oder diffamierenden öffentlichen Sprachgebrauch aufmerksam zu machen, Diskussionen über Sprache anzuregen und dadurch Sprachsensibilität und Sprachkritik in der Bevölkerung zu fördern.

Mitglieder der Unwort-Jury sind vier Sprachwissenschaftler und der Autor Stephan Hebel. Als jährlich wechselndes Mitglied war diesmal zudem die FDP-Politikerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger beteiligt. 1064 Einsendungen waren eingegangen, weniger als 2015 (1644) sowie in den Jahren 2014 (1246) und 2013 (1340).

(felt/das/dpa/REU/KNA)
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