Kein Ticket, kein Zutritt VRR-Chef will Sperren gegen Schwarzfahrer

Gelsenkirchen · Wer keine gültige Fahrkarte hat, soll künftig gar nicht erst in den Zug kommen – und auch nicht auf den Bahnsteig. VRR-Vorstand Martin Husmann will in NRW Zugangssperren nach dem Vorbild der Pariser Metro. Die Bahn ist skeptisch.

Verspätungen und Störungen - was die Deutsche Bahn aufhält
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Foto: H. Jazyk

Wer keine gültige Fahrkarte hat, soll künftig gar nicht erst in den Zug kommen — und auch nicht auf den Bahnsteig. VRR-Vorstand Martin Husmann will in NRW Zugangssperren nach dem Vorbild der Pariser Metro. Die Bahn ist skeptisch.

Manche Schwarzfahrer machen Martin Husmann richtig sauer. Kürzlich sah der Vorstand des Verkehrsverbundes Rhein-Ruhr (VRR), wie ein ertappter Beförderungs-Erschleicher das fällige "erhöhte Beförderungsentgelt" von 40 Euro griffbereit aus der Hemdtasche zog und lächelnd zahlte. "Wenn Schwarzfahrer das längst einkalkuliert haben, ist es wirkungslos", so beschreibt Husmann die Erkenntnis aus diesem Erlebnis. Nicht nur deshalb kann der VRR-Chef sich vorstellen, die Regional- und S-Bahnsteige künftig mit mechanischen Durchgangssperren auszustatten: kein Ticket, kein Zutritt.

"Wir sind etwas kritisch"

Vorbild könnten laut Husmann die U-Bahn in Amsterdam oder die Pariser Metro sein. Dort öffnen sich Türen und Drehkreuze zu den Bahnsteigen nur, wenn der Automat ein gültiges Ticket erkennt. Fahrkarten lesen können inzwischen auch die "Touch & Travel"-Automaten (deutsch: berühre und reise) der Bahn, die nach wie vor die meisten Züge im Verkehrsverbund Rhein-Ruhr betreibt, doch eine Zugangskontrolle gibt es noch nirgends in Deutschland. "Wir sind etwas kritisch gegenüber geschlossenen Systemen", so Bahnsprecher Udo Kampschulte. Es sei ja gerade eine Stärke der Bahn, dass man zügig durchkomme. "Wir wollen es ja nicht so haben wie am Flughafen."

Der Unterschied: Am Düsseldorfer Flughafen gab es 2012 keinen dokumentierten Fall, in dem es einem Schwarzflieger gelungen wäre, ohne Ticket durch die Kontrollen und ins Flugzeug zu gelangen. Dagegen entgehen den Betreibern von Bussen und Bahnen durch Schwarzfahrer jährlich rund 250 Millionen Euro an Fahrgeldeinnahmen. Zusätzlich fallen laut dem Verband Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV) weitere 100 Millionen Euro pro Jahr für den Einsatz von Kontrollpersonal an.

Die Bahn gibt keine Auskünfte zur Zahl der Schwarzfahrer und der durch sie entstehenden Kosten. Auf den Fernstrecken der Bahn gebe es aufgrund der Kontrolldichte praktisch keine Schwarzfahrer mehr, so Bahnsprecher Kampschulte, im S-Bahn-Netz könne die Zahl "etwas höher" liegen als die geschätzten drei Prozent, die der VDV kommuniziere.

Bestimmtes Klientel fernhalten

VRR-Chef Husmann räumt ein, dass die Diskussion über Durchgangssperren auch innerhalb des Verkehrsverbundes noch nicht abgeschlossen sei und wohl noch weitergehe. "Das Modell hätte auch den Vorzug, dass man damit ein bestimmtes Klientel fernhält, das sich nicht auf dem Bahnsteig aufhält, um den öffentlichen Personennahverkehr zu nutzen", so wirbt der Verbund-Chef für seinen Vorstoß.

Das sieht der Verband Deutscher Verkehrsunternehmen auch so: "Theoretisch wäre das hilfreich, und wir wären prinzipiell dafür. Aber es ist kein Allheilmittel und in Deutschland schon aus historischen Gründen schwierig", so VDV-Sprecher Lars Wagner. Nach Ende des Dritten Reichs habe man sich in Deutschland entschlossen, öffentliche Anlagen und vor allem Bahnsteige keinen Zugangsbeschränkungen zu unterwerfen. "Ich kann mir das baulich und finanziell nicht vorstellen, darauf ist unsere Infrastruktur nicht ausgerichtet. Was machen Sie mit dem Fahrstuhl, der direkt auf den Bahnsteig führt? Absperren?", so Wagner. Der VDV hat seinerseits eine Initiative gestartet, das 2003 festgesetzte "erhöhte Beförderungsentgelt" für erwischte Schwarzfahrer von 40 auf 60 Euro zu erhöhen. Für Wiederholungstäter solle die Strafzahlung auf 120 Euro angehoben werden. Es gehe nicht an, dass sich das dauerhafte Schwarzfahren für die Täter auch noch lohne.

Deutschland ein "Schwarzfahrerparadies"

Im europäischen Vergleich liege Deutschland mit 40 Euro auf dem 13. Platz und sei ein regelrechtes "Schwarzfahrerparadies". Nur in Tschechien und in den Niederlanden sei Schwarzfahren noch billiger. Zuständig für eine Erhöhung der Bußgelder sei das Bundesverkehrsministerium, das dafür jedoch die Zustimmung der 16 Bundesländer benötige, die sich nicht einig seien.

(RP/sgo)
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