Das Risiko trägt der Pilot Was passiert bei einem Sichtflug?

Hamburg (RPO). Der deutsche Luftraum bleibt bis Mittwoch, acht Uhr, gesperrt. Ausgenommen sind die Flughäfen Bremen, Hamburg, Berlin-Tegel und -Schönefeld. Aber auch an den anderen Flughäfen starten und landen zahlreiche Flugzeuge. Möglich macht das eine für jeden einzelnen Flug erteilte Sondergenehmigung: Dann dürfen die Piloten im Sichtflug unter der Wolke hindurchfliegen - oder gegebenenfalls auch hindurch. Was passiert auf einem Sichtflug?

Das DLR-Forschungsflugzeug Falcon 20E
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Um den Flugverkehr nach tagelangem Stillstand wieder zum Laufen zu bekommen, erlaubte die deutsche Flugsicherung Maschinen der Lufthansa, Air Berlin und anderer Gesellschaften den kontrollierten Sichtflug zwischen 3000 bis 6000 Metern und organisierte dabei mit ihren Lotsen die Flugbewegungen.

Auf Sicht fliegen normalerweise nur kleine Flugzeuge, etwa Sportflieger oder Hubschrauber. Dabei gelten vergleichbare Prinzipien wie beim Autofahren auf der Straße: Der Pilot handelt auf eigenes Risiko, ist ganz auf sich allein gestellt und muss selbst auf alles reagieren, was um ihn herum passiert. Er ist dafür verantwortlich, Kollisionen zu vermeiden und den richtigen Kurs einzuhalten.

Bei schlechtem Wetter keine Chance

Voraussetzung ist grundsätzlich gutes Wetter. Denn: Wer nichts sieht, kann nicht ausweichen. Die Piloten sind vom Grundsatz her wie im Straßenverkehr unterwegs. Anhand von Orientierungspunkten wie Horizont oder Wolken steuern sie das Flugzeug. Wolken sollen sie großräumig umfliegen. Als Grundsatz des Sichtflugs gilt das Prinzip "See and Avoid" - Sehen und Vermeiden. Ausweichregeln sind in den internationalen "Visual Flight Rules" festgelegt.

Derzeit wird der Sichtflug zwischen etwa 3000 und 6000 Metern Höhe angewandt. Bis zu einer Höhe von 3000 Metern unterliegen sie nicht der Kontrolle der Deutschen Flugsicherung. Geht es darüber hinaus, stößt die Maschine in den Bereich vor, wo die großen Fluglinien unterwegs sind.

Um Zusammenstöße zu vermeiden, dürfen Sichtflieger in diese Höhen nur mit Einverständnis der Flugsicherung aufsteigen und bekommen von deren Lotsen dann im Gegenzug feste Höhen, Kurse und Geschwindigkeiten zugewiesen, an die sie sich halten müssen. Dieses Verfahren nennt sich dann kontrollierter Sichtflug.

"Nichts wie umkehren"

Dabei stoßen die Flieger auch in Bereiche vor, die mit Vulkanasche verschmutzt sind. Die Piloten können der Wolke auch nicht ausweichen, da die winzig kleinen Ascheteilchen kaum zu sehen sind. Das merkt der Pilot erst, wenn er mitten drin ist. Die Kollision mit den Partikeln lässt wegen der statischen Aufladung Blitze über die Scheibe des Cockpits wandern. "Dann heißt es umkehren und nichts wie weg", erklärte ein Pilot.

Für die Flugsicherung ist am Ende entscheidend, dass das Risiko für eventuelle Unfälle in der asche-verschmutzen Luftschicht bei diesem Verfahren nicht mehr bei ihr, sondern ausschließlich bei den Fluggesellschaften und den einzelnen Piloten liegt. Denn im Sichtflug - kontrolliert oder nicht - obliegen alle sicherheitsrelevanten Entscheidungen gemäß der internationalen Regeln allein dem Flugzeugführer.

"Der Pilot ist verantwortlich", erklärte der Sprecher der Flugsicherung. Nicht zuletzt aus diesem Grund übt auch die Pilotenvereinigung Cockpit scharfe Kritik an dem momentanen Vorgehen, Jets im Sichtflug starten und wieder landen zu lassen. Das juristische Risiko sei jetzt auf die Piloten verlagert worden, sagte deren Sprecher Jörg Handwerg in der ARD.

Genehmigungen kommen aus Braunschweig

Die deutsche Flugsicherung ist übrigens nicht die einzige offizielle Stelle, an die sich Fluggesellschaften wenden müssen, wenn sie ihre Jets ausnahmsweise nach Sichtflugregeln durch die Aschewolke steuern lassen wollen. Entscheidender als das Einverständnis der Lotsen ist das Luftfahrtbundesamt in Braunschweig, das zunächst erst einmal eine entsprechende Genehmigung ausstellen muss.

Denn die generelle Betriebserlaubnis einer im Passagiergeschäft aktiven Airline in Deutschland sieht nach Angaben der Flugsicherung nur Flüge nach Instrumentenflugregeln vor, bei der sich die Piloten mit Hilfe von speziellen Navigationssystemen unabhängig von Sicht- und Wetterverhältnissen orientieren. Will eine Gesellschaft ihre Maschinen im Sichtflug betreiben, muss das Amt das eigens gestatten.

Allerdings sind auf diese Art bei weitem nicht so viele Flüge wie gewöhnlich möglich: Mit üblicherweise 9000 Flügen pro Tag ist der deutsche Luftraum einer der verkehrsreichsten der Welt. Sichtflüge sind nur bei Tag und gutem Wetter möglich. Im benachbarten Ausland wurden Flugverbote, die wegen des Risikos von Triebwerksschäden durch Lavateilchen erlassen worden waren, weitgehend aufgehoben.

(AFP/AP/RTR)
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