Fragen und Antworten zum Pferdefleisch-Skandal Wie gefährlich ist unser Essen?

Düsseldorf · Der Skandal um falsch etikettiertes Fleisch verunsichert die Verbraucher. Zwar werden Lebensmittel in Deutschland scharf kontrolliert – gegen legalen Produktschwindel und schlechte Qualität hilft das allerdings wenig. Wir erklären, was der Verbraucher wissen muss.

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Foto: Screenshot Sun

Der Skandal um falsch etikettiertes Fleisch verunsichert die Verbraucher. Zwar werden Lebensmittel in Deutschland scharf kontrolliert — gegen legalen Produktschwindel und schlechte Qualität hilft das allerdings wenig. Wir erklären, was der Verbraucher wissen muss.

Der Etikettenschwindel um Pferdefleisch im Rinderhack wirft ein schlechtes Bild auf die Lebensmittelbranche. Das muss man als Verbraucher wissen:

Wie echt sind unsere Lebensmittel?

Die Hersteller nutzen viele Möglichkeiten der Manipulation — vor allem beim Geschmack. Seitdem die Aromen von vielen Zutaten auch industriell produziert werden können, hat sich die Zusammensetzung verändert. Um beispielsweise den Geschmack von Krabben, Schokolade, Rauch, Tomaten, Erdbeeren oder Himbeeren zu erreichen, wird das Original nicht mehr benötigt. Früher war so etwas erwünscht, weil beispielsweise die teure Vanille als Vanillin für jede Hausfrau erschwinglich wurde. Diese Technik macht es heute möglich, dass unabhängig von der Saison ganzjährig Erdbeer- oder Himbeer-Joghurt zu niedrigen Preisen verkauft werden kann. Verbrauchertests haben ergeben, dass dem Konsumenten der Unterschied nicht auffällt. Hersteller machen sich unabhängig von Obstsaison, Kakaopreis oder von Krabbenfischern. "Natürliches Aroma" bedeutet nicht etwa, dass das Original verwendet wurde, dann heißt es beispielsweise "Natürliches Erdbeer-Aroma".

Was sagt die Verpackung?

Wer die Illusion hat, das alles so ist, wie groß auf der Packung aufgedruckt, lebt nicht zeitgemäß. Schafskäse mit griechischen Motiven muss nicht aus Griechenland stammen, Mozarella nicht aus Italien. Die Alpen haben nicht genug Platz für all die Kühe, die es geben müsste, damit die als Alpenmilch verkaufte Milch erzeugt werden könnte. Mancher Wildlachs hat nie einen Fluss gesehen. Es gibt Hunderte weiterer Beispiele. Verbraucherschützer nennen das "legale Täuschung". Eine verpflichtende Herkunftsbezeichnung gibt es nur für wenige Lebensmittel, sobald sie verarbeitet sind, entfällt die Vorschrift meist völlig. Der Verbraucher kann deshalb keine Lebensmittelströme steuern.

Stimmen wenigstens die Namen der Lebensmittel?

Nicht immer: Oft lohnt sich der Blick auf die Zutatenliste, die es immer geben muss. So ist der Anteil von Hering (Fisch überhaupt) in Heringssalat manchmal niedriger als der von Rindfleisch; Geflügelsalami enthält auch andere Fleischsorten. Schon klassisch: in Leberwurst ist meist nur wenig Leber; Nektar bezeichnet nicht etwa ein edles Getränk der Götter.

Wie künstlich können Lebensmittel sein?

Mit einigen Tricks können die Kosten für die Lebensmittelproduktion deutlich gesenkt werden. Eine Möglichkeit besteht darin, das Volumen zu erhöhen. Weil Wasser günstiger ist als Zutaten, ist es finanziell attraktiv, den Wassergehalt etwa mit Emulgatoren zu erhöhen. Auch mit geschreddertem Soja lassen sich teurere Zutaten sparen. Eine weitere Alternative ist die Herstellung von Zutaten aus Abfällen oder Resten anderer Produktionswege. Formfleisch oder Schinkenersatz besteht aus zusammen geklebten Fleischresten, Analogkäse wird aus Pflanzenöl und Milch produziert. Manchen Lebensmitteln dürfen bis zu einem bestimmten Prozentsatz fremde Substanzen beigemischt werden: Fischöl, Rindertalg oder Rapsöl.

Welche Gefahr geht von Lebensmitteln aus?

Deutsche Lebensmittel sind sicher. Früher gab es deutlich mehr Probleme mit verdorbenem Essen oder Bakterien wie Salmonellen. Durch mehr Kontrollen und bessere Hygienestandards ist dieses Problem deutlich geringer geworden. Die meisten Vergiftungserscheinungen resultieren heutzutage von den hochansteckenden Noroviren. Nicht vernachlässigen darf man aber Schadstoffe, die mit den Mahlzeiten zwar nur in sehr geringen Mengen aufgenommen werden, sich aber über lange Zeit im Körper anreichern und die Entstehung von Krankheiten begünstigen. Da gibt es noch Handlungsbedarf.

Wie gut funktionieren die Kontrollen?

Deutschland hat eine sehr gute Lebensmittelanalytik. Schadstoffe oder falsche Inhaltsstoffe werden von den gut ausgestatteten Laboren fast immer gefunden, selbst in niedrigen Konzentrationen. Allerdings sticht dieser Trumpf erst, wenn der Lebensmittelskandal eingetreten ist. Raimund Luig, Sprecher der Geschäftsführung von Kaiser's Tengelmann beschreibt das Problem so: "Es gibt zwar ein europäisches Schnellwarnsystem, aber dieser Fall zeigt, dass die Zusammenarbeit der betroffenen Länder deutlich verbesserungswürdig ist. Denn offensichtlich war in Frankreich schon vor dem 6. Februar bekannt, dass Comigel für Lasagne Pferdefleisch verarbeitet hat. Eine Information darüber an die Handelsunternehmen ist allerdings nicht erfolgt." Kaiser's Tengelmann hatte am 6. Februar die verdächtigen Produkte vorsorglich aus den Regalen geräumt.

Gibt es Schummeleien nur bei Rindfleisch?

Nein, auch von anderen Fleischsorten und sogar bei Fisch sind Manipulationen bekannt. Bei Restauranttests stellte sich heraus, dass mancher Edelfisch nur ein gewöhnlicher Seelachs war. Seit dem Auftreten der Rinderkrankheit BSE muss die Herkunft von frischem Rindfleisch im Handel angegeben werden. Auf Fertigprodukten ist aber nur noch die Angabe nötig, welches Fleisch verarbeitet. Das gilt bereits für marinierte oder gewürzte Produkte.

Wäre der Skandal durch höhere Preise im Laden für Lasagne verhindert worden? Vermutlich nicht, da es sich nach Einschätzung der französischen Ermittler um kriminelle Energie handelt. 750 Tonnen Fleisch sind betroffen: wenn ein Zwischenhändler nur 50 Cent pro Kilo beim Fleischeinkauf spart, bedeutet das 375 000 Euro Gewinn. Pferdefleisch kann bis zu 80 Prozent günstiger sein. Nach einen Bericht der "Süddeutschen Zeitung" soll der beteiligte Händler bereits 2012 wegen Lebensmittelbetrugs mit südafrikanischem Pferdefleisch verurteilt worden sein. Damals habe er illegale Gewinne von 3,5 Millionen Euro gemacht.

Was kann der Verbraucher tun?

Solange es keine regionale Kennzeichnungspflicht und bessere Etiketten gibt, hilft nur gesundes Misstrauen. Meistens sind regional erzeugte Produkte besser. Generell gilt: Wer Billigware kauft, hat ein höheres Risiko, schlechtere Qualität zu bekommen. Es gibt aber auch billige Lebensmittel in guter Qualität und umgekehrt. Lebensmittelkauf ist Vertrauenssache: Produkte oder Händler, mit denen man gute Erfahrung gemacht hat, sollten weiter die erste Wahl sein.

(RP/sap)
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