Frage und Antwort Wie gefährlich sind Schimmelpilze im Futter?

Düsseldorf/Berlin · Tierfutter, das offenbar mit giftigen Schimmelpilzen befallen war, ist von Serbien nach Deutschland gelangt. Jetzt ist die nächste Debatte über Verbraucherschutz entbrannt. Wir beantworten die wichtigsten Fragen zum Thema.

Für Serbiens Agrarminister war die Sache klar. In aller Öffentlichkeit wollte Goran Knezevic demonstrieren, dass die Milch der Kühe, die den von giftigem Schimmelpilz befallenen Mais gefressen haben, nicht gefährlich ist. Obwohl zu diesem Zeitpunkt bereits 28 von 300 Milchsorten vom Markt genommen worden waren, nahm er ein Glas Milch und trank es leer. "Unsere Milch ist sicher", sagte er. Eine neue Debatte über Verbraucherschutz konnte er damit nicht verhindern: Wie steht es wirklich um die Milch? Was verursachen die Schimmelpilzgifte bei Menschen? Hier die Antworten auf die wichtigsten Fragen:

Was sind Aflatoxine?

Aflatoxine sind verschiedene Schimmelpilzgifte (Mykotoxine), die bei Tieren und Menschen schon in geringen Mengen giftig wirken. Die unsichtbaren Gifte werden unter anderem durch den natürlich vorkommenden Pilz Aspergillus flavus gebildet und kommen unter anderem in verschiedenen Nussarten, Pistazien, Mandeln, Obst, Getreide, Reis und Mais vor.

Wie entstehen Schimmelpilzgifte?

Die Gifte können bereits auf dem Feld durch Schimmelbefall in die landwirtschaftlichen Rohprodukte gelangen. Dies geschieht vor allem dann, wenn es feucht ist und Getreidebestände zu dicht und nicht wie bei Ökogetreide zum Beispiel in weiter Reihe mit viel weniger Abstand voneinander stehen. Doch auch durch falsches Wachstum der Rohprodukte oder eine zu feuchte Lagerung von Zwischen- oder Endprodukten könnten die Schimmelpilzgifte entstehen, erläuterte Michael Kühne vom Landesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit.

Wie schädlich sind diese Gifte?

Aflatoxine gehören zu den stärksten in der Natur vorkommenden Giften. Laut dem Bundesinstitut für Risikobewertung können die Gifte das Erbmaterial schädigen und extrem krebserregend sein. Bei Tieren lösen die Gifte vor allem Leberkrebs aus.

Sind die Gifte tödlich?

Ja. Insbesondere in Afrika und Asien, wo in einigen Regionen schlechte Lagerungs- und Transportbedingungen herrschen, führt der Verzehr von verschimmelten Rohprodukten wie Erdnüssen oder Mais immer wieder zu Aflatoxin-Vergiftungen mit Todesfolge. Da akute Vergiftungen nur durch sehr hohe Konzentrationen des Gifts ausgelöst werden, sind Szenarien dieser Art in Deutschland wegen der häufigen Lebensmittelkontrollen aber sehr selten.

Wie gelangen die Gifte aus Tierfutter in die Lebensmittel der Menschen?

Die Gifte können über die Milch oder Eier der Tiere, die das Futter fressen, in die Lebensmittel gelangen ("Carry over"-Prozess). Die Rückstände im Futter setzen sich laut dem niedersächsischen Landwirtschafts-Staatssekretär Udo Paschedag dabei in der Milch am ehesten ab, bei Fleisch hingegen gar nicht. Aber auch bei Milch gehe die Konzentration des Giftes während des "Carry over"-Prozesses stark zurück.

Nur ein Zehntel der Giftkonzentration aus dem Futter lande am Ende in der Milch, sagt Frank Feuerriegel vom Landesverband Milch in NRW. "Die Kuh fungiert so als Filter." Die Molkereien seien der zweite Filter: Dort wird die Rohmilch verschiedener Höfe in der Masse verarbeitet — und vermischt.

Sind die giftigen Futtermittel dann noch gefährlich für Menschen?

Das ist zurzeit die große Frage. In einem anderen Fall hatte das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) Entwarnung gegeben. Im Jahr 1997 waren Schimmelpilzgifte auf Nüssen nachgewiesen worden, die die Grenzwerte für die Giftstoffe überschritten. "Das BfR hat das gesundheitliche Risiko Aflatoxin-kontaminierter Mittel bewertet und gelangte zu dem Ergebnis, dass anhand der vorliegenden Daten keine konkretisierbare gesundheitliche Gefährdung der Verbraucher zu erwarten ist", hieß es beim BfR.

Das sehen einige Experten heute ähnlich. "Eine Gefährdung durch aflatoxinbelastete Trinkmilch kann aufgrund des Vorgehens der Molkereien als unwahrscheinlich angenommen werden", heißt es jetzt in einer Mitteilung des niedersächsischen Ministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz. Die Werte der Milch, die am Ende beim Verbraucher auf dem Tisch steht, lägen unter den Grenzwerten. Im NRW-Verbraucherministerium spricht man dagegen durchaus von einer gesundheitlichen Gefahr für die Menschen.

Wie steht es um die Milch in NRW?

In NRW existieren seit den 90er Jahren Monitoringprogramme. So wird zum Beispiel aufgrund einer Vereinbarung der Molkereien mit der Landesvereinigung der Milchwirtschaft NRW Rohmilch auf Aflatoxin untersucht. Die halbjährlichen Monitorings erfassen 600 bis 700 Einzelproben. "Dabei sind seit 2001 keine Höchstmengenüberschreitungen mehr festgestellt worden", sagt Frank Feuerriegel vom Landesverband Milch. Die Ergebnisse aus dem Monitoring 2012 hätten alle unter dem angestrebten Richtwert von zehn Nanogramm pro Kilo Rohmilch gelegen. "Die Milch in NRW erfüllt die Qualitätsstandards von Babynahrung", sagt Feuerriegel.

Was passiert mit den Tieren, die das giftige Futter gefressen haben?

Die betroffenen Kühe müssen nicht aus dem Betrieb genommen oder gar getötet werden. Die Gifte blieben höchstens eine Woche im Körper, sagte Staatssekretär Udo Paschedag. Wenn Kühe die Gifte ausgeschieden haben, sei ihre Milch wieder unbelastet.

Was müssen Verbraucher beachten?

Die Verbraucher sollten Lebensmittel trocken und kühl lagern. Es sollten keine Lebensmittel verzehrt werden, die muffig riechen oder von sichtbarem Schimmel befallen sind. Wichtig: Das Abschneiden verschimmelter Bereiche hilft oft nicht, da der Pilz sich auch unsichtbar ausbreiten kann, warnt das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit.

Kann man die Gifte in Lebensmitteln als Verbraucher erkennen?

Verbraucher können die Schimmelpilzgifte weder sehen noch riechen. Nur aufwendige analytische Laboruntersuchungen können die Gifte im jeweiligen Nahrungsmittel nachweisen.

Wo liegen die zulässigen Höchstwerte des Giftes?

Der zulässige Höchstwert des Schimmelpilzgiftes im Mais liegt bei 0,02 Milligramm pro Kilo. Der giftige Mais aus Serbien hatte diesen Wert um mehr als das Zehnfache überschritten.

Müssen nun bessere Kontrollen für Futtermittelhersteller her?

Das fordert zumindest Bauernpräsident Joachim Rukwied: "Um einen Befall mit Schimmelpilzen auszuschließen, erwarte ich, dass das Futtermittelmischwerk entsprechende Kontrollen durchführt, beispielsweise Eingangskontrollen der Rohprodukte."

(RP/anch/jco)
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