Münchner U-Bahn-Schläger "Wir waren so besoffen"

München (RPO). Zum Prozessauftakt vor der großen Jugendkammer im Falle der Münchener U-Bahnschläger haben die Angeklagten gestanden. Das Geständnis entwickelte sich zögerlich und wieder einmal mußte Alkohol als Ausrede herhalten: "Es tut mir leid, ich schäme mich", sagte der 18-jährige Angeklagte Spyridon L. am Montag vor dem Landgericht München. "Wir waren so besoffen."

 Im Falle der Münchener U-Bahn-Schläger haben die Täter zum Prozessauftakt gestanden.

Im Falle der Münchener U-Bahn-Schläger haben die Täter zum Prozessauftakt gestanden.

Foto: Polizei Muenchen, AP

Klarer kann die Beweislage kaum sein als in diesem Prozess: Eine Überwachungskamera zeichnete den Überfall vier Tage vor Weihnachten auf, das Opfer erkannt Spyridon L. und seinen 21-jährigen Freund Serkan A. als Täter wieder. Beide sind geständig. Im Grunde sei aber der Alkohol schuld gewesen an allem, erklärten beide zum Prozessauftakt vor der Großen Jugendkammer. Den ganzen Tag über hätten sie getrunken, acht Halbe, nein zwölf Bier, mindestens, Wodka dazu und zwei Nasen Heroin. "Ich war so dicht, total dicht", wiederholte Spyridon L. zum Prozessauftakt immer wieder.

"Wir haben ihn geschlagen", führte er weiter aus - erst als der Richter ihm die Videobilder vom Überfall auf einen Rentner in der U-Bahn vorhielt und die Tritte gegen den Kopf, erinnerte sich Spyridon genauer: Er habe dem 76-Jährigen "so ein, zwei Fäuste gegeben und am Ende noch einen Kick" - sein Fuß habe noch am nächsten Tag wehgetan.

Die beiden Angeklagten haben zusammen schon rund 60 Eigentums- und Gewaltdelikte auf dem Kerbholz. Nach einer Bewährungsstrafe war Serkan A. erst wenige Wochen vor dem Überfall aus einer Entzugsklinik geflüchtet. Spyridon L. sagte, wenn er nicht getrunken hätte, hätte er in der U-Bahn nicht geraucht. "Und dann wär auch nichts passiert." Aber Alkohol mache ihn immer so aggressiv.

Doch die Richter meldeten Zweifel an: Bei ihrer Festnahme sei es noch nicht so viel Alkohol gewesen, sagte der Vorsitzende Reinhold Baier.

Rentner machte Stress wegen der Zigarette

Serkans Anwälte gingen auf Nummer sicher. Immerhin wirft die Anklage den beiden versuchten Mord vor - da drohen auch Jugendlichen bis zu zehn Jahre Haft. Im Namen ihres Mandanten verlasen sie eine Erklärung, in der Serkan den Überfall schildert. "Ich kann mir heute nicht erklären, warum ich das getan habe. Ich wollte ihn nicht töten", trug sein Verteidiger für ihn vor. "Die ganze Angelegenheit tut mir sehr leid."

Spyridon L. dagegen äußerte sich in gebrochenem Deutsch selbst - und verwickelte sich in Details in Widersprüche. Unstrittig blieb der Ausgangspunkt: Spyridon L. hatte in der U-Bahn geraucht und der pensionierte Schulrektor Bruno N. forderte ihn auf, die Zigarette auszumachen. "Ich hatte den Eindruck, er macht Stress wegen der Zigarette", sagte Spyridon L. Er habe den Rentner bespuckt und "Hurenbastard" gesagt, auch "Scheiß Deutscher" vielleicht, "damit ich ihn voll fertigmache".

Mit Anlauf zugetreten

Was dann folgte, wussten Serkan A. und Spyridon L. nicht mehr so genau zu sagen. Staatsanwalt Laurent Lafleur schilderte den Hergang so: Serkan A. habe den Mann von hinten zu Boden geschlagen und getreten. Dann habe Spyridon L. ihm "mindestens acht wuchtige Faustschläge in das Gesicht und gegen den Oberkörper" verpasst und zwei Mal "kräftig und gezielt ins Gesicht getreten". Schließlich nahm Spyridon L. "Anlauf und trat aus dem vollen Lauf heraus mit seinem beschuhten Fuß heraus kraftvoll und mit voller Wucht nach Art eines Fußballers gezielt gegen den Kopf des hilflos am Boden Liegenden". Mit dreifachem Schädelbruch und lebensgefährlichen Hirnblutungen ließen sie ihr Opfer liegen.

Spyridon L. erinnert sich noch, dass sein Fuß weh getan habe, dass sein Schuh kaputt gegangen sei und im Rucksack des Opfers nichts Brauchbares gewesen sei. Erst als er in der Zeitung gelesen habe, dass der Mann 76 Jahre alt sei und in Lebensgefahr schwebe, "habe ich gedacht, was für ein Scheiß hast du gemacht, das könnte dein Opa sein". Er habe sogar um dessen Leben gebetet. "Es tut mir leid. Normalerweise bin ich nicht so ein Mensch, der alte Leute haut", sagte Spyridon L. "Ich weiß, ich hab einen sehr großen Fehler gemacht."

Verteidigung vergleicht die Täter mit Homers Helden

Sahen so die Helden Homers aus? Schmal, mit nervösem Blick, ausbrausend? Der Verteidiger von Spyridon L. jedenfalls scheut nicht davor zurück, die fast tödlichen Tritte des 18-jährigen Griechen gegen den Kopf des Rentners Bruno N. in einen Zusammenhang mit Homer zu stellen. Dessen Helden seien "nicht anders als als schwerste Verbrecher zu charakterisieren", sagt Anwalt Wolfgang Kreuzer. Mit dem merkwürdigen Vergleich wollte Kreuzer erreichen, dass der Prozess unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfindet - damit L. in seinem Umfeld nicht zum Helden stilisiert wird, wie er sagt. Der Antrag scheitert.

(ap)
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