Zugkatastrophe in Bad Aibling Polizeisprecher: "Es wird keine elfte Leiche geben"

Bad Aibling · Nach dem schweren Zugunglück in Oberbayern mit zehn Toten rechnet die Polizei nicht mit weiteren Todesopfern. "Es wird niemand mehr vermisst", sagte ein Sprecher des Polizeipräsidiums Oberbayern Süd am Mittwochvormittag.

Zugunglück in Bad Aibling: Bergungsarbeiten gestalten sich schwierig
10 Bilder

Zugunglück in Bad Aibling: Bergungsarbeiten gestalten sich schwierig

10 Bilder
Foto: ap

Nachdem alle Personalien abgeglichen worden seien, dürfte sich kein Opfer mehr in den beiden Zügen befinden. "Es wird keine elfte Leiche geben." Der Sprecher war zudem zuversichtlich, dass alle 81 Verletzten überleben werden. "Wir dürfen optimistisch sein."

Am Dienstagmorgen waren zwei Nahverkehrszüge auf der eingleisigen Strecke zwischen Holzkirchen und Rosenheim frontal ineinander gekracht. Am Mittwochmorgen hatte es zunächst Verwirrung um die Zahl der Opfer gegeben. Am Dienstagabend waren bereits zehn Todesopfer bekannt, ein weiterer Mensch wurde vermisst und unter den Trümmern vermutet. Dann hatte am Mittwochmorgen eine Mitarbeiterin der Polizeieinsatzzentrale zunächst berichtet, die sterblichen Überreste des Vermissten seien gefunden worden. Dies stellte sich jedoch als falsch heraus. Wenig später wurde bekannt, dass niemand mehr vermisst werde.

Die Bergungsarbeiten nach dem Unglück am Dienstagmorgen waren in der Nacht unterbrochen worden und sollten bei Tagesanbruch fortgesetzt werden. Die eingleisige Strecke zwischen Holzkirchen und Rosenheim ist weiterhin gesperrt. Der Schienenersatzverkehr habe sich inzwischen "eingetaktet", teilte die Bayerische Oberlandbahn mit.

Auf der eingleisigen Strecke zwischen Holzkirchen und Rosenheim waren die Züge frontal ineinander gerast. 18 Menschen wurden schwer, 63 Reisende leicht verletzt. Die Katastrophe von Bad Aibling ist das schwerste Zugunglück in Bayern seit mehr als 40 Jahren.

Trauer herrscht nicht nur in der Region, auch die Politik reagierte auf das Unglück. Am Nachmittag entschieden sich die Parteien, auf den traditionellen politischen Aschermittwoch in Bayern zu verzichten. Auch die entsprechende Veranstaltung der CDU mit Kanzlerin Angela Merkel in Demmin in Mecklenburg-Vorpommern wurde wegen des Unglücks abgesagt. Auch die SPD sagte eine Veranstaltung mit Sigmar Gabriel in Mainz ab.

Die Mannschaften im DFB-Pokal-Viertelfinale am Dienstagabend liefen mit Trauerflor auf. Zudem gab es vor den Partien Bayer Leverkusen gegen Werder Bremen und VfB Stuttgart gegen Borussia Dortmund jeweils eine Schweigeminute.

Als die Züge am Morgen gegen 6.45 Uhr zusammenstießen und sich die Triebwagen ineinander verkeilten, entgleiste einer der Züge und mehrere Waggons kippten zur Seite. "Der eine Zug hat sich förmlich in den anderen hineingebohrt und die Kabine des zweiten Zuges komplett auseinandergerissen", berichtete Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) vor Journalisten.

Die Strecke wird mit Hilfe des "Punktförmigen Zugbeeinflussungssystems" kontrolliert. Das System sorge automatisch dafür, dass Züge nicht aufeinandertreffen könnten, erläuterte der Bundesverkehrsminister. Danach würden Züge zwangsgebremst, wenn sie unberechtigt auf einer Strecke seien oder Signale überfahren hätten. Auf der Unfallstrecke war das System erst in der vergangenen Woche kontrolliert worden - alles schien einwandfrei.

Die Rettungs- und Bergungsarbeiten gestalteten sich extrem schwierig, weil die Unglücksstelle in einem Waldstück an einer Hangkante neben dem Flüsschen Mangfall liegt. Rund 700 Rettungskräfte kümmerten sich um die Verletzten. Helikopter brachten die Schwerverletzten in Krankenhäuser, wo sämtliche geplanten Operationen sofort abgesagt wurden, um Kapazitäten für die Versorgung der Opfer zu schaffen. Wasser- und Bergwacht waren ebenfalls im Einsatz.

Die Kanzlerin zeigte sich tief betroffen: "In Gedanken bin ich auch bei den zahlreichen Verletzten, die mit den Folgen des Unglücks ringen", sagte sie. Auch Russlands Präsident Wladimir Putin und der französische Premierminister Manuel Valls bekundeten ihr Mitgefühl. Die beiden großen Kirchen in Deutschland erbaten "Gottes Beistand und Trost". Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) betonte: "Das ist eine Tragödie für unser ganzes Land, die uns mit Trauer und Entsetzen erfüllt." Seehofer will heute gemeinsam mit Bahnchef Rüdiger Grube die Unglücksstelle besuchen und mit den Rettungskräften sprechen.

Bei aller Trauer war den Rettern schnell klar, dass das Unglück sogar noch schlimmer hätte ausfallen können. Denn wegen der Faschingsferien in Bayern saßen in den Zügen am Morgen weniger Pendler als sonst - und vor allen Dingen keine Schüler.

Angesichts des Bahnunglücks in Bayern hat NRW-Verkehrsminister Michael Groschek (SPD) schnelle Konsequenzen gefordert: "Falls sich ein Versagen der Sicherungssysteme als ursächlich für das tragische Unglück erweisen sollte, Die Verkehrsministerkonferenz der Länder muss bei ihrem nächsten Treffen darüber beraten, ob wir die Eisenbahnbetriebsordnung weiter verschärfen, um die Eisenbahnsicherheit zu erhöhen."

Es müsse in kürzeren Intervallen als bislang überprüft werden, ob die Sicherheitstechnik immer noch dem aktuell gängigen Niveau entspreche. "Es sollte zudem geprüft werden, ob es alternative Sicherheitstechnik gibt, die noch besser als die derzeit verwandten Systeme funktioniert, um Katastrophen wie in Bad Aibling zu verhindern", so Groschek.

(spol/gol/dpa/maxi/csi)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort