Nach dem Zugunglück Bad Aibling — in der Trauer vereint

Bad Aibling · In einem Gottesdienst haben Hunderte Trauergäste gestern der Opfer des Zugunglücks von Bad Aibling gedacht.

Bad Aibling: Beim Gottesdienst trauern auch die Rettungskräfte
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Rettungskräfte trauern um die Opfer von Bad Aibling

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Foto: dpa, wst

Der Schmerz der Angehörigen ist grenzenlos. Familien und Freunde haben gestern in einem emotionalen Gottesdienst der elf Todesopfer des Zugunglücks von Bad Aibling gedacht. "Wir wollen miteinander tragen, was unerträglich ist", sagte die Regionalbischöfin für München und Oberbayern, Susanne Breit-Keßler, an die Hinterbliebenen gewandt.

Familien vor Kameras geschützt

Durch einen Seiteneingang waren die Familien in die Pfarrkirche St. Georg geführt worden, um sie vor Kameras zu schützen. Auch zahlreiche Vertreter der verschiedenen Rettungsdienste versammelten sich. Nebenan, im Pfarrsaal und in einer Turnhalle, verfolgen rund 400 Anwohner den Gottesdienst auf Bildschirmen. Schon eine Stunde vor Gottesdienstbeginn trafen die ersten an der Kirche ein, grüßten und umarmten sich. In der Not stehen die Menschen zusammen.

Über allem stand die Frage nach dem Warum. "Niemand kann sie beantworten", sagte Kardinal Reinhard Marx, Erzbischof von München und Freising sowie Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz. Die Hoffnung sei jedoch ein Weg, das Leben trotz aller Last anzunehmen. "Gemeinsam kann dieses Unglück nur getragen werden."

"Erinnern wir an diese Elf"

Wenn er sich das Leben der getöteten Männer und ihrer Angehörigen anschaue, sei er "unmittelbar berührt, von den vielen ungelebten Tagen, die sie miteinander erwartet haben", sagte Marx. "Erinnern wir an diese Elf, dass sie nicht vergessen sind, dass sie nicht weg sind."

Die Ermittlungsbehörden suchen noch nach der Ursache des Unfalls. Nicht auszuschließen ist weiterhin, dass menschliches Versagen die Tragödie ausgelöst haben könnte. So kann die Sicherheitstechnik händisch ausgestellt werden. Möglicherweise wurde den Zügen durch Verantwortliche im Stellwerk gleichzeitig die Einfahrt in die eingleisige Strecke erlaubt. "Zu Spekulationen in Zusammenhang mit dem Unfall äußern wir uns nicht", sagte ein Bahnsprecher Dem Ausgang des Ermittlungsverfahrens solle nicht vorgegriffen werden.

Zugunglück bei Bad Aibling: Mehrere Tote und viele Verletzte
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Schweres Zugunglück bei Bad Aibling

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Foto: dpa, kne fpt kno

Die Geschädigten und ihre Hinterbliebenen sind aber auf jeden Fall geschützt. "Egal wer letztendlich für den Unfall verantwortlich gemacht wird, die Geschädigten haben Anspruch auf Schadenersatz", stellt Nicolas Eilers von der Arbeitsgemeinschaft Verkehrsrecht im Deutschen Anwaltverein (DAV) aus Groß-Gerau fest. "Bei Verschulden müssen Bahngesellschaften unbegrenzt für den Schaden eintreten", so der Fachanwalt für Verkehrs- und Versicherungsrecht. Doch selbst wenn, was bei schweren Unfällen immer wieder der Fall ist, die Schuldfrage nicht geklärt werden könnte, sind die Opfer abgesichert.

So haften Bahnbetreiber auch ohne Verschulden aus der reinen Gefährlichkeit der Züge bei Tötung und Verletzung eines Menschen bis zu 600.000 Euro. Sachschäden sind mit bis zu 300.000 Euro pro Unfall abgesichert. Zudem muss nach der europäischen Fahrgastverordnung das verantwortliche Eisenbahnunternehmen unverzüglich, spätestens nach 15 Tagen, einen Vorschuss in Höhe von 21.000 Euro leisten. Die Zahlung von Vorschüssen an Betroffene oder deren Angehörige hat die Betreibergesellschaft der Bayerischen Oberlandbahn, die Transdev GmbH aus Berlin, schon zugesagt. "Unser Haftpflichtversicherer kommt für Personen-, Sach- und Umweltschäden auf, die bei der schrecklichen Tragödie entstanden sind", teilte das Unternehmen mit.

Versichert ist Transdev bei einem Konsortium, dem auch die Allianz Global Corporate & Specialty aus München angehört. Möglich ist jedoch auch, dass die Deutsche Bahn, falls sich ihre Verantwortlichkeit als Bahnstreckenbetreiber herausstellen sollte, die Schadenregulierung direkt in die Hand nimmt. Bisher hat sich das Unternehmen dazu aber noch nicht geäußert. Grundsätzlich haben Angehörige einen Anspruch auf Schmerzensgeld, Erwerbs- und Unterhaltsschaden sowie sonstige Kosten, die durch den Unfall entstehen. Auch die Heilbehandlung muss vom Bahnunternehmen getragen werden.

Beim schweren ICE-Unfall bei Eschede 1998 soll die Deutsche Bahn für jede Familie der Getöteten ein umgerechnetes Schmerzensgeld von 15.000 Euro gezahlt haben. Dabei gibt es in Deutschland bis heute kein Angehörigenschmerzensgeld. Ein Anspruch entsteht nur in Einzelfällen. "Etwa wenn die Angehörige aufgrund der Trauernachricht einen Schock erleiden und schwer erkranken", erläutert Eilers. Unter Umständen könnten die Angehörigen einen Schmerzensgeldanspruch aber auch erben. "Das gilt wenn die Getöteten beim Unfall noch eine Zeit lang gelitten haben", so der DAV-Jurist.

(RP/dpa)
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