Nationalpark Eifel Zweite Chance für NS-Ordensburg

Die ehemalige "NS-Ordensburg" Vogelsang liegt im Nationalpark Eifel. 60 Jahre lang war der Bau für die Öffentlichkeit unzugänglich in einem Sperrgebiet.

Die ehemalige Kaderschmiede der Nationalsozialisten heute.

Die ehemalige Kaderschmiede der Nationalsozialisten heute.

Foto: vogelsang-ip

130 Meter über dem Urftsee klammert sich die ehemalige Kaderschmiede der Nationalsozialisten an die Kante der Dreiborner Hochfläche. Die 210 Meter lange Front der Ordensburg Vogelsang aus Eifler Bruchstein drückt auf das Tal. Wer zu Fuß hinauf will, macht sich vom Ufer des Stausees auf den Weg. Rostige Schlagbäume erinnern an das frühere Sperrgebiet, vor sechs Jahren erst wurde das Gelände für Besucher freigegeben.

Auf der "Ordensburg" sollte der Partei-Nachwuchs gedrillt werden. 1934 war Baubeginn, 1940 wurden die Arbeiten im Krieg eingestellt, fertig geworden ist der Komplex nie. 1945 machten die Alliierten aus der Kaderschmiede eine Kaserne. Mehr als 60 Jahre blieb Vogelsang Sperrgebiet der Belgischen Armee. "Ein offener Ort war es nie, bis heute", stellt der Historiker Klaus Ring fest.

Die Abschottung begann mit dem ersten Spatenstich 1934. Nur handverlesene Parteimitglieder gelangten auf das Gelände. "Vogelsang war eine der vier geplanten, sogenannten Ordensburgen", erklärt Ring. Auf den "Ordensburgen" sollten die Junker, spätere Parteikader, ideologisch geschliffen werden. Abseits der Öffentlichkeit.

Die Öffentlichkeitsscheu stand im krassen Gegensatz zur Vermarktung der "Ordensburgen". "Es gab von Vogelsang zum Beispiel etliche Postkartenmotive", sagt Ring. "Die Nazis wollten den Ort gezielt mystifizieren", so der Historiker. Die Nazis wollten mit Vogelsang ihre Ideologie buchstäblich in Stein meißeln. Sie bauten eine Thingstätte für Zeremonien, einen Sonnwendplatz mit Feuermal und eine Ehrenhalle. "Vogelsang ist ein Täterort", stellt Christin Wannagat klar.

Sie arbeitet für den "internationalen Platz Vogelsang", die gemeinnützige Gesellschaft soll das Gelände entwickeln. Das heißt vor allem Aufklärungsarbeit an dem Ausflugsort, der Vogelsang inzwischen ist. "Es ist ein Spagat", sagt Wannagat. Nach dem endgültigen Abzug der Belgier 2005 sollte Vogelsang "auf keinen Fall ein Wallfahrtsort für Neonazis werden", sagt Eckhard Bolenz, Leiter des Instituts für Landeskunde und Regionalgeschichte beim Landschaftsverband Rheinland (LVR), der am "internationalen Platz" beteiligt ist. Abriss war keine Alternative: "Die Gebäude stehen seit Jahrzehnten unter Denkmalschutz", so Bolenz.

Seit 2006 ist das 110 Hektar große Gelände für Besucher geöffnet, rund 200 000 kamen vergangenes Jahr. Bis 2014 sollen das neue Besucherzentrum, ein Konferenzsaal und das NS-Dokumentationszentrum fertig sein. Gebaut wird unterirdisch unter dem zentralen Adlerhof. Pläne für ein Krimi-Hotel wurden nach Protesten gestoppt.

Fernab von Großstädten und Industrie hat der Zweite Weltkrieg kaum Schäden an Vogelsang hinterlassen. Die Belgier bauten den Standort in 60 Jahren weiter aus. 70 000 Quadratmeter der früheren Schlaf-, Ess- und Hörsäle sind erhalten. Allein rund um Adlerhof und Gemeinschaftshaus gibt es 500 Räume. Vor dem Baubeginn für das neue unterirdische Besucherzentrum dokumentierte die Entwicklungsgesellschaft die Katakomben, die sich auf drei Untergeschosse erstrecken. Noch immer sind nicht alle Räume erschlossen, die die Nazis in den 1930er Jahren in den Berg gehauen haben.

Die Belgier gingen mit der Nazi-Hinterlassenschaft pragmatisch um. Im Keller mauerten sie Räume zu, für die sie keine Verwendung hatten. Den Speisesaal der "Burgschänke" mit 500 Sitzplätzen nutzten sie unverändert weiter, ebenso das Schwimmbad. Im "Kultraum" im Inneren des 48 Meter hohen Bergfrieds feierten die Nazis mit der drei Meter großen Plastik "der deutsche Mensch" ihren Rassenwahn. Hier hängten belgische Soldaten Haken unter die Decke und übten Klettern und Abseilen.

Die Architektur des Kölner NS-Planers Clemens Klotz kopierte mit dem Bergfried Ritterburgen nach außen und mit dem "Kultraum" Kirchen im Inneren. "Die Parallele zu mittelalterlichen Burgen war beabsichtigt", berichtet Architekt Lothar Winkler, Projektleiter auf Vogelsang. Das Mittelalter war nur Fassade. "Von außen ist der Bruchstein zu sehen", zeigt Winkler auf eine freigelgte Wand im Adlerhof. "Innen liegt eine Stahlskelett-Konstruktion, damals sehr modern."

Alle Pläne für Vogelsang konnten die Nazis nicht verwirklichen. Auf dem Plateau des Berges Erpenscheid sollte das "Haus des Wissens" gebaut worden. Nach den Klotz-Plänen ein Komplex mit 100 mal 300 Metern Ausdehnung. Fertig wurden nur die Fundamente. Auf einen Teil davon setzten die Belgier in den 1950er Jahren die Van-Dooren-Kaserne, auf die Grundmauern eines Hörsaals ein Truppenkino mit Platz für 1100 Soldaten. Das Kino ist heute wieder im Originalzustand der 1950er Jahre und dient als Kulturzentrum.

Bis die Bauarbeiten 2014 abgeschlossen sind, ist im Kino das Besucherzentrum untergebracht. "Das Programm läuft während der Arbeiten weiter", sagt Christin Wannagat. Den Bauzaun rund um den Adlerhof haben Gesamtschüler aus dem nahen Weilerswist bemalt. "Augen auf, sag was" schrieben die Schüler neben die Karikatur eines Junkers, das Bild ist bunt.

(RP/csi)
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