Leben in drei Jahrhunderten Die älteste Deutsche wird 112

Bad Hönningen (dpa). Als Maria Laqua in Rheydt im heutigen Nordrhein-Westfalen geboren wird, hat Wilhelm II. gerade den deutschen Kaiserthron bestiegen. Reichskanzler Otto von Bismarck ist noch im Amt und der Erste Weltkrieg noch in weiter Ferne. Leben in drei Jahrhunderten: Am Montag (12. Februar) wird die älteste Deutsche, von der das Berliner Bundespräsidialamt Kenntnis hat, in einem Altenheim im rheinland-pfälzischen Bad Hönningen 112 Jahre alt. Noch nie in der Geschichte der Bundesrepublik hat der Bundespräsident einem Menschen mit einem so hohem Alter zum Geburtstag gratuliert.

An ihrem Wiegenfest bekommt Laqua voraussichtlich eine große Portion Eis, das sie so liebt, und Besuch von ihrer 60-jährigen Großnichte Ursel Soenke aus Ratingen bei Düsseldorf. Ansonsten soll der seltene Geburtstag unspektakulär verlaufen: Die Seniorin ist pflegebedürftig, blind und oft nicht ansprechbar. Unter schweren Krankheiten leidet sie allerdings nicht.

"Beim Jahreswechsel 1999/2000 überlebten sie und eine 102-Jährige als einzige im Computer von unserer katholischen Pfarrgemeinde. Alle Namen mit Geburtstagen im 20. Jahrhundert dagegen wurden gelöscht", berichtet die Leiterin des Alten- und Pflegeheims St. Elisabeth, Annekäthe Kirsch.

Noch immer lauscht die älteste Deutsche gerne dem Radio. Heute erklingt in ihrem Einzelzimmer eher Schlagermusik. Bis vor mehreren Jahren jedoch "hörte sie begeistert die Fußballspiele von Borussia Mönchengladbach", erzählt ihre Großnichte. Der spätere Bundestrainer Berti Vogts war früher ihr Lieblingsspieler. Auch Wein trank Laqua bis ins hohe Alter mit Genuss. In jungen Jahren war sie Hausmädchen bei "Herrschaften" gewesen, wie sie es nannte, und hatte sich dort gute Weinkenntnisse angeeignet. Auch zum Kochen verwendete sie gerne den Rebensaft.

Maria Laqua, geborene Otten, entstammt einer Arbeiterfamilie und hatte zwölf Geschwister, von denen laut ihrer Großnichte wohl keines mehr lebt. Ihr Ehemann Karl arbeitete als Schlosser und starb bereits 1958. Der jüngere Sohn Paul war als Soldat 1945 wenige Wochen vor Ende des Zweiten Weltkrieges mit 20 Jahren in Ostdeutschland gefallen. Sein Bruder Karl-Heinz war zwei Monate zuvor im Alter von 25 Jahren in russischer Kriegsgefangenschaft gestorben.

Maria Laqua konnte dies nie verwinden. Erst in den fünfziger Jahren bekamen sie und ihr Mann die offizielle Bestätigung, dass die beiden Vermissten tot seien. Noch mit 103 Jahren, fast ein halbes Jahrhundert nach Kriegsende, rief Maria Laqua in einer Art Tagtraum: "Schnell, wir müssen über den Rhein, die Russen kommen!" Ihre Großnichte "hat diesen Satz nie vergessen".

Seit 34 Jahren lebt die Seniorin nun im Seniorenheim St. Elisabeth in Bad Hönningen. Ihre Wahl war auf den Ort am Rhein (Kreis Neuwied) gefallen, weil sie sich dort zuvor gerne und oft zur Kur aufgehalten hatte.

Noch zwei andere Bundesbürger gibt es, deren 112. Geburtstag in diesem Jahr ansteht. Die zweitälteste Deutsche ist wohl Rosalia Hasenkampf, die in Senden bei Münster lebt und am 1. Oktober 1889 geboren wurde. Drittälteste Deutsche ist vermutlich Meta Berndt. Sie kam auf den Tag genau 100 Jahre vor dem Fall der Mauer zur Welt: am 9. November 1889. Laut Bundespräsidialamt gingen im vergangenen Jahr insgesamt 3341 Glückwunschschreiben des Bundespräsidenten an Menschen, die 100 Jahre alt wurden oder älter als 105.

(RPO Archiv)
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