Beate Uhse im 82. Lebensjahr gestorben Die Erotikbranche aus der Schmuddelecke geholt

Flensburg (rpo). Die "Aufklärerin der Nation", "Helferin in sexuellen Notständen" und "Grande Dame der Erotik", wie sie häufig genannt wurde, war laut Umfragen 98 Prozent der Deutschen namentlich bekannt. Auch nach Uhses Tod im Alter von 81 Jahren dürfte ihr Unternehmen weiter auf der Erfolgswelle schwimmen.

Beate Uhse hat im Laufe eines halben Jahrhunderts ein Sex-Imperium aufgebaut, dessen Jahresumsatz mittlerweile weit über 200 Millionen Mark beträgt. Der Versandhandel mit Kondomen, Reizwäsche, Duftbädern, Liebestränken und Mitteln zur Potenzsteigerung sowie Aufklärungsbüchern und Filmen floriert ungebrochen, und auch die Sex-Shops und Kinos der Erotikkette können sich über Besuchermangel nicht beklagen. Das Geheimnis der Erfolgs sehen Marktbeobachter im Einfallsreichtum ebenso wie in der Seriösität des Angebots begründet. Damit sei es gelungen, die Erotikbranche aus der Schmuddelecke herauszuholen.

Die Karriere der Beate Uhse liest sich teilweise wie ein Roman, dem man jegliche Realitätsnähe absprechen würde. Geboren wurde sie am 25. Oktober 1919 in Ostpreußen auf dem väterlichen Gut Wargenau bei Cranz. Sie absolvierte eine Haushaltslehre und ging zeitweise als Au-pair-Mädchen nach England, bevor sie mit 18 Jahren den Pilotenschein erwarb und später im Rang eines Hauptmanns Jagdmaschinen der deutschen Luftwaffe testete. Zu Kriegsende setzte sie sich mit einem herrenlosen Wahrmachtsflugzeug aus dem eingeschlossenen Berlin nach Schleswig-Holstein ab und begann in der Nähe von Flensburg mit ihrem zweijährigen Sohn ein neues Leben. Ihr Mann war 1944 gefallen.

Zunächst erwarb die mittelose Kriegerwitwe einen Wandergewerbeschein zum Handel mit Spielzeug und Knöpfen. Seit 1948 vertrieb sie nebenher einen Kalender mit Verhütungstipps nach der Knaus-Ogino-Methode, bei der die empfängnisfreien Tage berechnet werden müssen. Dies war für sie der Einstieg ins Erotikgeschäft. Im Februar 1951 gründete sie in Flensburg ihr "Spezial-Versandhaus für Ehe- und Sexualliteratur und für hygienische Artikel".

Schon bald gerieten ihre Produkte ins Visier der Staatsanwaltschaft. Doch mehr als 3.000 Ermittlungsverfahren konnten den Erfolg des Unternehmens nicht bremsen - im Gegenteil. Schon Ende der 50er Jahre wurden mit Beates Uhses Sexartikeln Millionenumsätze erzielt, 1972 wurde die Unternehmensgründerin bereits als erfolgreichste Sex-Versenderin der Welt gefeiert.

Der Liebe auf die Sprünge geholfen

"Nicht die Großen werden die Kleinen fressen, sondern die Schnellen die Langsamen", lautete der Wahlspruch, den Beate Uhse an die Wand ihres Büros geheftet hatte. Und das rasante Wachstum ihres Unternehmens beweist wohl zur Genüge, dass sie keinesfalls zu den Langsamen gehörte. Mit der Übernahme der Sex-Shop-Kette "Dr. Müller?s" wurde 1979 ein wichtiger Konkurrent ausgeschaltet. Einen weiteren Auftrieb erfuhr das Unternehmen nach der Wende von 1989, als viele neue Kunden in Ostdeutschland gewonnen werden konnten. Inzwischen ist der Konzern an die Börse gegangen und hat auch einen Erotikkanal im Pay-TV gestartet.

Anfang der 80er Jahre erkrankte Beate Uhse an Krebs, woraufhin ihr der Magen entfernt wurde. Sie erholte sich jedoch, spielte weiter Golf und Tennis und erwarb 1996 sogar noch einen Tauchschein. Auch in ihr Büro ging sie bis zuletzt noch regelmäßig.

Angefeindet worden ist die Pionierin für liberale Sexualität ihr Leben lang, doch hat sie sich nie daran gestört. Stattdessen hielt sie sich zu Gute, Millionen kaputter Ehen mit Dessous und Dragees, Salben und Säften, mit Konfekt und Kondomen wieder gekittet zu haben, wie sie im Dezember 1971 dem "Stern" sagte. Bewunderer sagen, sie habe der Liebe auf die Sprünge geholfen, als diese gerade dabei war, laufen zu lernen. Der Erfolg ihres Unternehmens jedenfalls beweist, dass es für ihre Produkte stets Abnehmer gab.

(RPO Archiv)
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