Wuppertal Die Jäger des Bernstein-Zimmers

Wuppertal · In Wuppertal sucht eine Gruppe von Männern einen kunsthistorischen Schatz: das seit Jahrzehnten verschollene Bernsteinzimmer.

Der Betonschacht liegt nur einen Meter vom Bürgersteig entfernt. Ein Seil ragt hinein. Eimer für Eimer Schutt wird an dem Seil hinaufgezogen und ausgekippt. Unten schwitzt Nikolaus Brandau, ausgerüstet mit Helm und Lampe. Er schuftet in seiner Freizeit am Rand einer großen Industriebrache in Wuppertal. Brandau gehört zu einer Gruppe privater Schatzsucher, die ein Auge auf das Gelände geworfen haben. In Wuppertal ist unter ihnen eine Art Goldrausch ausgebrochen. Gesucht wird immerhin das "achte Weltwunder", das Bernsteinzimmer.

Doch warum Wuppertal? So weit im Westen ist wohl noch nie nach dem legendären Schatz gesucht worden. Dessen Spur verliert sich in Königsberg, dem heutigen Kaliningrad, 1200 Kilometer weiter östlich. Bislang war regelmäßig in Thüringen, Sachsen und in Bayern die Erde umgepflügt worden. Dort will man in den letzten Kriegswirren 1945 verdächtige Lastwagen-Kolonnen gesehen haben.

Der Mythos treibt Karl-Heinz Kleine (67) schon seit Jahren um. Den gebürtigen Sachsen hat es vor fast 30 Jahren nach Wuppertal verschlagen. Seine Theorie: Das heutige Wuppertal ist die Heimat des damaligen NS-Gauleiters für Ostpreußen, Erich Koch. Der Kriegsverbrecher soll die Verantwortung für die 27 oder 28 Kisten getragen haben, in denen das Bernsteinzimmer verpackt war. Er soll aber auch noch viele weitere Schätze in den besetzten Gebieten zusammengerafft haben.

Koch starb 1986 in einem polnischen Gefängnis. "Auf dem Bernsteinzimmer hatte der Koch die Finger drauf", sagt Kleine. Und der Nazi habe den Schatz bestimmt nicht per Lkw, sondern per Eisenbahn fortschaffen lassen, glaubt er. Ist es dem einstigen Reichsbahner gelungen, den Schatz vor der anrückenden Roten Armee in seiner Heimat zu verstecken? Kannte er nicht sogar den Rüstungsunternehmer, dem das Gelände damals gehörte? Hatte der sich wiederum nicht in den letzten Kriegstagen mit Görings Stellvertreter Erhard Milch getroffen?

Kleine vermutet unter dem Gelände eine Bunkeranlage für die Rüstungsproduktion. Seit Wochen versucht er mit seinem privaten Team, einen Eingang zu finden. Auf dem Gelände, das vor Jahren von einer US-Firma gekauft wurde, wachsen dichte, haushohe Brombeersträucher. Seit Jahrzehnten wird es als illegaler Schuttablageplatz genutzt. Ein paar Straßen weiter fährt die Schwebebahn. Der genaue Ort der Grabungen ist ein Geheimnis. Zwei Schächte wurden bereits ausgehoben, sie führten allerdings lediglich zu Rohrleitungen.

Die Hoffnung geben Kleine und seine Mitstreiter aber noch lange nicht auf. Denn immerhin bestätigen Zeitzeugen, dass es damals wirklich einen Bunker gab, der auch in einer Liste der Stadt vermerkt sei.

Man habe die Unterstützung der Stadt. Technisches Hilfswerk und Feuerwehr helfen schon einmal mit, berichtet Kleine. Der Stadt Wuppertal würde er im Erfolgsfall auch das Bernsteinzimmer übergeben. Es gehöre zwar Russland, aber vor der Rückgabe sollte es wenigstens einmal in Deutschland ausgestellt werden, meint der Rentner.

(dpa)
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