Aachener Verein Pacific Garbage Screening Dieses Gerät soll die Meere von Plastik befreien

Aachen · Millionen Tonnen Plastikmüll schwimmen im Meer und werden Tieren zum Verhängnis. Eine Architektin aus Aachen will dem ein Ende setzen und hat eine riesige schwimmende Plattform entworfen, die den Müll aus dem Meer holen soll.

Der Moment, in dem aus der Architekturstudentin Marcella Hansch eine Umweltaktivistin wurde, ist über vier Jahre her. Beim Tauchen auf den Kapverden sieht sie neben bunten Fischen vor allem eines im Wasser: Plastiktüten und Müll. Noch auf dem Hinflug hatte sie in einer Zeitschrift vom Müll in den Meeren gelesen - doch der Artikel war schnell vergessen. Unter Wasser musste sie dann feststellen, wie real das Problem ist. "Mir war nicht bewusst, was das für Ausmaße hat", sagt sie heute. Inzwischen hat die 30-Jährige eine schwimmende Plattform entworfen, die den Müll aus den Meeren holen soll.

Denn Millionen Tonnen Plastik schwimmen in den Weltmeeren. Der Naturschutzbund (Nabu) geht davon aus, dass jährlich zehn Millionen Tonnen Müll in die Ozeane gelangen. An fünf Stellen in den Weltmeeren sammelt sich der Müll in riesigen Strudeln. Der größte im Pazifik hat laut Nabu die Fläche von Mitteleuropa. Seit Jahren kursieren traurige Bilder in den Medien: von Robben, die sich in Netzen verfangen haben, Schildkröten, die mit Plastik um den Hals herumschwimmen oder toten Vögeln, die verhungert sind - weil der Magen mit Plastik voll war.

Marcella Hansch will nun mit ihrem Aachener Verein "Pacific Garbage Screening" helfen, das tödliche Plastik wieder aus den Meeren zu holen. Nach ihrem Tauchurlaub beschäftigte sie sich intensiv mit dem Thema - und beschloss, in ihrer Masterarbeit in Architektur ein Konstrukt zu entwickeln, dass das Plastik aus den Müllstrudeln auf hoher See filtern kann.

Dabei kam eine kammähnliche Plattform heraus, die über horizontale Kanäle unter der Wasseroberfläche verfügt. Denn in den Müllstrudeln wird ein großer Teil des Plastiks tief unter die Oberfläche gedrückt. Fließt das Wasser in die Kanäle, beruhigt es sich. Weil Plastik leichter ist als Wasser, kann es dort dann aufsteigen. Von den Rohren gehen Kanäle nach oben ab, die ins Innere der schwimmenden Insel führen. Dort kann das Plastik abgeschöpft und gesammelt werden. Mehr noch: Hansch und ihr 15-köpfiges Team wollen das Plastik auf hoher See aufspalten in Wasserstoff, der per Brennstoffzellen Energie liefern kann, und in CO2, das als Nahrung für Algenkulturen dienen soll. Aus diesen kann dann Algenkunststoff gewonnen werden.

Ein perfekter Kreislauf, findet Hansch. Außerdem: Fische und andere Meeresbewohner werden anders als bei Systemen mit Netzen nicht verletzt. Denn die Kanäle sind passiv, saugen kein Wasser an. Hinten und vorne sind sie offen, Fische können einfach herausschwimmen.

Für die Architektin, die den Verein ehrenamtlich neben dem Beruf betreibt, erschien das Projekt zunächst eher wie ein Gedankenspiel. Doch auf Kongressen sagten ihr Fachleute, dass sie das Projekt für realistisch halten. Inzwischen unterstützt das Institut für Wasserbau und Wasserwirtschaft der RWTH Aachen ihr Projekt, zwei weitere Abschlussarbeiten zu dem Thema haben berechnet, dass das Prinzip funktioniert. Im Architektenbüro hat Hansch ihre Stelle deshalb auf 80 Prozent reduziert. Bis die Plattform in See stechen kann, wird es aber noch Jahre dauern. Solange arbeitet ihr Team an der Prävention: "Es ist schön, wenn wir Plastik aus dem Wasser holen können. Aber wir müssen vor allem dafür sorgen, dass nicht noch mehr hineinkommt."

So soll das Projekt Realität werden:

Finanzierung Vor allem Geld fehlt dem Projekt. Der von Marcella Hansch Verein hofft auf Spenden und Forschungsgelder. www.pacific-garbage-screening.de

Forschung Zwei wissenschaftliche Stellen will der Verein finanzieren, um die Wasseranlagen der RWTH Aachen nutzen zu können.

Prototyp Ein kleinerer Prototyp soll gebaut und in Flussmündungen getestet werden.

(mre)
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