Michelin- Auszeichnung für Spitzenköche Die Sterne-Sammler

Baiersbronn/Kerpen · In deutschen Küchen ist die Nervosität groß, zumindest bei Newcomern wie Julia Komp aus Kerpen. Der Guide Michelin vergibt wieder die Restaurant-Sterne. Auch die "Schwarzwaldstube" in Baiersbronn hofft auf Bestwerte – wie immer.

 Harald Wohlfahrt — hat 75 Michelin-Sterne gesammelt.

Harald Wohlfahrt — hat 75 Michelin-Sterne gesammelt.

Foto: dpa, bsc

In deutschen Küchen ist die Nervosität groß, zumindest bei Newcomern wie Julia Komp aus Kerpen. Der Guide Michelin vergibt wieder die Restaurant-Sterne. Auch die "Schwarzwaldstube" in Baiersbronn hofft auf Bestwerte — wie immer.

Julia Komp, Chefköchin im Restaurant auf Schloss Loersfeld in Kerpen, ist nervös, der Druck extrem hoch. "Einen Stern zu erkochen, ist für mich der größte Traum, auf den ich seit dem ersten Tag meiner Ausbildung vor acht Jahren hinarbeite", sagt die Overatherin, die mit 27 Jahren vielleicht Deutschlands jüngste Sterneköchin wird. Seit Januar hat sie die Verantwortung in der Küche, den Stern haben ihre Vorgänger geholt. "Nun hoffe ich, dass ich bald nicht mehr Köchin in einem Sterne-Restaurant bin, sondern eine Sterne-Köchin."

Die Aufregung in deutschen Küchen steigt: Am Mittwochabend gibt der Guide Michelin bei einer Gala in Berlin bekannt, welche Restaurants sich mit wie vielen Sternen schmücken dürfen. Mit einem, zwei oder gar drei Sternen? Oder gar keinem?

Ob es klappt, weiß kein Koch, die Bekanntgabe des Guide Michelin ist auch für einen erfahrenen Gastronomen wie Heiner Finkbeiner jedes Jahr eine Überraschung. Der 67-Jährige ist Hotelier und führt mit seiner Familie unter anderem in Baiersbronn das Fünf-Sterne-Haus "Traube Tonbach", dem die Sterne dekorierte "Schwarzwaldstube" mit Chefkoch Harald Wohlfahrt angeschlossen ist. Finkbeiner ist selbst Koch: Unter anderem arbeitete er bei Eckart Witzigmann im Münchner "Tantris".

Ein heikles Geschäft

Seit Herbst 1980 ist Wohlfahrt Küchenchef in der "Schwarzwaldstube", seit 1992 ist sie mit drei Sternen dekoriert. Wohlfahrt hat 75 Michelin-Sterne gesammelt — so viele wie kein anderer deutscher Koch. Finkbeiner kennt ihn schon seit 40 Jahren, früh hat er die Anzeichen gesehen, dass er "ein Guter" ist. "Er hat sich jedes Jahr kochtechnisch gehäutet, ohne seine Art des Kochens zu verändern", betont Heiner Finkbeiner.

Viele Spitzenköche sind durch die Wohlfahrt-Schule gegangen, zum Beispiel Kevin Fehling ("The Table", Hamburg), Christian Bau ("Victor's Gourmet Restaurant Schloss Berg", Perl) oder Thomas Bühner ("La Vie", Osnabrück) - alle ebenfalls mit drei Sternen ausgezeichnet. Drei-Sterne-Koch Joachim Wissler ("Vendôme", Bergisch Gladbach) hat auch in der "Traube Tonbach" gelernt, aber bei Heiner Finkbeiner.

Wirtschaftlich ist die Sterne-Gastronomie allerdings ein heikles Geschäft. Es gibt hohe Personal- und Materialkosten. In der "Schwarzwaldstube" arbeiten 15 Köche und zwei Patissiers. Ohne das Hotel würde sich das Spitzen-Restaurant nur schwer alleine tragen, gibt der Patron zu. Aber das Restaurant zieht Publikum fürs Hotel an und umgekehrt. 70 Prozent der 35 Gäste am Abend sind auch Hotelgäste. "Nur mit Gästen aus der Region würden wir uns schwer tun, auch wenn wir von Städten wie Straßburg, Karlsruhe und Stuttgart nur eine Stunde entfernt liegen", sagt Finkbeiner.

"Anerkennen, wie aufwendig die Küche ist"

Etwa ein Drittel der Gourmets kommt aus dem Ausland, vor allem aus Frankreich und den Benelux-Ländern. Aber auch die Asiaten und die Amerikaner seien stark im Kommen. Die "Traube Tonbach" findet sich im US-Bestseller "1000 Places to see before you die" — "das ist für uns natürlich enorm hilfreich", sagt Finkbeiner, dessen zwei Söhne schon im Unternehmen tätig sind.

Die "Schwarzwaldstube" habe lange gebraucht, bis sie schwarze Zahlen geschrieben habe, seit rund 15 Jahren erwirtschafte sie Profit. "Vorher lagen wir immer bei plus/minus null", betont Finkbeiner. Für ein Dinner am Wochenende liegt die Wartezeit bei etwa drei Monaten. "Die Leute, die sich für die Sterne-Gastronomie interessieren, sind geübte Genießer. Sie geben viel Geld dafür aus, weil sie anerkennen, wie aufwendig die Küche ist." Ein Sieben-Gänge-Menü inklusive einer erlesenen Wein-Auswahl kostet zwischen 250 und 350 Euro pro Kopf.

Betriebswirtschaftlich trägt sich das, sagt Finkbeiner, aber das Niveau darf nicht schwanken. Das macht auch den größten Druck für die Küchen-Crew aus. "Wir müssen jeden Abend und für jeden Gast Flagge zeigen." In vielen Küchen, erst recht in der Sterne-Gastronomie, herrschte deshalb früher meist ein rauer Ton. "Das war üblich für die Branche", sagt Finkbeiner. Aber zumindest bei ihm habe auch ein Umdenken stattgefunden. Für ein Buch des Impulse-Verlags über die größten Fehler von Führungskräften hat er als sein persönliches Versäumnis die fehlende Aufmerksamkeit für das Wohlbefinden seiner Mitarbeiter angegeben. In der Küche sei nun mehr Ruhe. Kritik werde sachlich vorgebracht. Der Ton sei nicht sanft, aber korrekt. "Denn ohne gutes Personal geht es nicht."

Julia Komp, die mit drei Kollegen und einem Azubi für maximal 30 Gäste kocht, mag sich nicht ausmalen, was passiert, wenn sie den Stern nicht bekommt. "Dann muss ich abhauen, am besten ans andere Ende der Erdkugel." Denn jeder erwarte, dass sie es schafft. "Wenn nicht, wäre es umso peinlicher und enttäuschender für mich", sagt sie. Eine Michelin-Testerin habe sich nach dem Besuch zu erkennen gegeben. "An dem Tag waren alle Gerichte so, wie sie sein sollen. Es gab keine Fehler." Wenn es nicht klappt, ist es eben Geschmackssache.

(mso)
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