Late-Night-Show-Legende feiert Geburtstag "Dirty Harry" wird 60

Köln · Vor drei Jahren verschwand Harald Schmidt vom Bildschirm. Seither macht der Zyniker sich rar, was öffentliche Auftritte betrifft. Den Menschen hinter der TV-Kunstfigur hat der Schwabe geschickt verborgen. Eine Spurensuche.

"Dirty Harry" wird 60
Foto: dpa, Hendrik Schmidt

Um Harald Schmidt ist es still geworden. Ausgerechnet. Der Mann, der zu allen Wechselfällen des Lebens eine meist böse wie intelligente Pointe zu bieten hatte, schweigt sich aus. Gut, er schreibt eine Kolumne für Spiegel Daily, dies aber weitgehend unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Ansonsten herrscht, bis auf wenige Ausnahmen, Funkstille.

Vielleicht, weil seine Karriere, die lange Zeit von Erfolg zu Erfolg führte, irgendwann versandete. Schmidts Abschied vom Fernsehen war einer auf Raten, in Teilen fast eine (Selbst-)Demontage. Von einer Rückkehr ins TV ist keine Rede. Der ehemalige Late-Night-König ist heute Privatier, beinahe sogar Rentner: Am Freitag feiert Schmidt seinen 60. Geburtstag.

Man muss das nicht gut finden, wie Schmidt sich und was er produziert hat. Dafür hat er zu viele Fehler gemacht, hat oft zu selbstherrlich, zu selbstverliebt agiert, hat sich mit mauen Partnern geschwächt oder gute verschlissen. Oder er hat sich faul auf seine Gagschreiber verlassen anstatt aufs eigene Improvisationstalent.

Dennoch hat Schmidt dem deutschen Humorfernsehen seinen Stempel aufgedrückt. Spätestens mit "Schmidteinander" hat er den Zyniker salonfähig gemacht. "Da ist ja 'ne Kunstfigur", hat er mit Blick auf "Dirty Harry" selbst eingeräumt. "Überhaupt, auch im Leben: Ich hab' mir so 'ne Figur erfunden." Wer aber ist der Mann dahinter?

Es gibt auf diese Frage recht vernichtende Antworten ehemaliger Kollegen. "In Wirklichkeit ist Schmidt noch gemeiner als auf der Bühne", hat Manuel Andrack, sein Sparring-Partner aus der "Harald Schmidt Show", gesagt. Sein Sidekick aus "Schmidteinander", Herbert Feuerstein, stellte gar die These auf: "Schmidt ist kein Mensch."

Leute, die Schmidt privat kennen und sich über ihn äußern, findet man in Köln so gut wie nicht. "Er ist nicht immer so wie im Fernsehen", sagte mal Elke Heidenreich, seine Nachbarin aus dem Villenviertel Marienburg. Man könne sich ganz normal und unironisch mit ihm unterhalten, versicherte sie.

Ein einziges Mal hat Schmidt in den letzten Jahren in einem Interview etwas mehr von sich verraten. Das war 2013 in der WDR-Radiosendung "Mon Talk". Hobbys habe er keine, stellte er klar, dafür fünf Kinder, über die er sich auf keinen Fall beklagen wolle: "Ich genieße das ja, das ist Trubel." Er brauche auch kein Arbeitszimmer, er schreibe notfalls mitten im Chaos. "Ich hör' ja auch an der Art, wie geschrien wird, ob ich eingreifen muss."

Seine Liebe zur Musik — er ist studierter Kirchenmusiker — hat er auf die Kinder übertragen: Sie spielen Klavier, Cello und Geige. Schmidt erzählte auch über seine Kindheit im schwäbischen Nürtingen. Wie er als 15-Jähriger mit seinen Eltern auf dem Sofa saß und ihnen aus der "Zeit" vorlas: "Der große Bühnenschauspieler Harald Schmidt ..."

Über die endgültige Absetzung seiner Late-Night-Show im Jahr 2014, die nach Sat.1 und dem Ersten zum Schluss beim Bezahlsender Sky lief, hatte sich Schmidt in vielen Interviews betont abgeklärt geäußert. Doch bei Westermann klang das plötzlich ganz anders: "Die Schwierigkeit ist nicht, den Erfolg zu genießen", sondern den Abstieg "in den Griff zu kriegen", räumte er ein.

Auf dem Höhepunkt seines Ruhms habe er einmal in einem Jahr zwölf Fernsehpreise bekommen. "Man weiß aber nicht, dass man sozusagen da jetzt gerade megamäßig angesagt ist, sondern man empfindet das einfach als normal. Und dann merkt man: Hoppla, jetzt ist es nicht mehr so, und dann dreht sich der Wind, und dann kommt die andere Seite."

Sein Abschied vom Fernsehen — das darf man als sicher annehmen — ist ihm nicht so leicht gefallen, wie er vorgegeben hat. Darauf deutet auch eine kurze Szene in seiner letzten Sendung im Free-TV bei Sat.1 hin. Damals drehte Überraschungsgast Olli Dittrich den Spieß einfach mal um und sprach Schmidt kurzerhand auf seinen erzwungenen Abgang an. Das Ergebnis war ein Moment der Schwäche: Dem Meister der schlagfertigen Replik fiel nichts Witziges ein. Was ihn letzten Endes nur sympathisch macht. Vielleicht irrt Herbert Feuerstein. Vielleicht ist Harald Schmidt doch ein Mensch.

(RP)
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