Freetown Ebola-Waisen kämpfen ums Überleben

Freetown · In den von der Seuche betroffenen Regionen haben Hunderte Kinder ihre Eltern verloren. Für sie gibt es nicht genug Betreuungsangebote, kritisiert Unicef. Vielfach verhindert die Angst vor Ansteckung wichtige Hilfe.

Obwohl Aminata Bangura eine Infektion mit dem Ebola-Virus überlebt hat, geht für sie das Leiden weiter - die Fünfjährige aus Sierra Leone hat durch die Seuche ihre Eltern verloren. Ihre Zukunft ist noch unklar. So wie der kleinen Aminata geht es Hunderten von Kindern in den besonders von Ebola betroffenen Regionen in Guinea, Sierra Leone und Nigeria. Die Angst vor der Seuche lasse die ohnehin rudimentären Sicherheitssysteme versagen, beklagte Unicef-Sprecherin Sarah Crowe.

So fehle es beispielsweise an Ersatzfamilien, die sich um die elternlosen Kinder kümmern. "Schwierig wird es vor allem dann, wenn Eltern erkranken, das Kind aber negativ getestet wird", sagt Crowe. Die Eltern müssten dann drei Wochen in Quarantäne, für die Sprösslinge fehlten derweil aber geeignete Betreuungsmöglichkeiten. Zwar gebe es mittlerweile ein Netzwerk aus Überlebenden der Krankheit, die sich um die Kinder kümmern sollen. Dies reiche aber bei der hohen Zahl der Infizierten nicht aus. Dazu verschlimmert sich die Situation kontinuierlich.

Besonders gefährdet sind sogenannte versteckte Waisen - überlebende Kinder, deren Eltern an den Folgen der Seuche gestorben sind, ohne in offiziellen Statistiken aufzutauchen. Crowe: "Sie leben zu Hause ohne ihre Eltern - aber niemand hilft ihnen aus Angst vor einer Ansteckung." Generell fehle es sowohl an Möglichkeiten, die Kinder unterzubringen als auch an kindgerechten Quarantäne-Stationen.

Auch der Ebola-Beauftragte der Bundesregierung, Walter Lindner, hat die Situation in den von der Epidemie betroffenen Gebieten in Westafrika als "beklemmend und unfassbar" bezeichnet. Lindner sprach nach einem Besuch in Westafrika von einer menschlichen Tragödie. "Was lokale und internationale Ärzte und Helfer dort täglich leisten, ist unvorstellbar", sagte er der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung" (FAS).

Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) brachte die Entsendung einer zivilen EU-Mission zur Bekämpfung der Epidemie in Westafrika ins Gespräch. Dies würde auch Mitgliedstaaten der Europäischen Union (EU) ohne eigene nationale Strukturen in den betroffenen Ländern eine Plattform bieten, um medizinisches Personal zu schicken, sagte Steinmeier.

Nach Ansicht des Direktors der Mainzer Universitätsmedizin, Peter Galle, nimmt die Furcht vor einer Ausbreitung der Epidemie in Deutschland allmählich panische Züge an. Eine zahlenmäßig bedeutsame Erkrankungswelle in Europa sei allerdings "kaum vorstellbar", sagte er. Auch in seiner Klinik hätten sich bereits Patienten mit der Vermutung gemeldet, sie seien an Ebola erkrankt. Der Leipziger Infektionsmediziner Bernhard Ruf bezweifelt allerdings die Einschätzung von Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU), dass in Deutschland 50 Ebola-Patienten gleichzeitig behandelt werden könnten. Nur fünf der offiziell bis zu neun entsprechend ausgestatteten Kliniken in Deutschland seien wegen des hohen Aufwands überhaupt aufnahmebereit, und jede könne maximal zwei schwer Erkrankte auf einmal versorgen, schreibt Ruf im Magazin "Focus". "Die wahre Kapazität liegt bundesweit bei nicht mehr als zehn Patienten." Bis die Infektionsrate "hoffentlich im nächsten Jahr" wieder sinke, werde es in Europa und den USA zu weiteren Einschleppungen kommen. "Wahrscheinlich werden auch deutsche Helfer, die jetzt zu Hunderten rekrutiert werden, darunter sein", so der Leipziger Klinikchef.

Kanada stellt der Weltgesundheitsorganisation 800 Ampullen eines experimentellen Impfstoffs gegen Ebola zur Verfügung. Das Mittel werde von heute an nach Genf verschifft, kündigte das kanadische Gesundheitsministerium in Ottawa an. Bisher gibt es kein zugelassenes Mittel gegen Ebola. Der Impfstoff war in zehnjähriger Arbeit in Kanada entwickelt worden. Die Zahl der Ebola-Erkrankten ist mittlerweile auf weltweit über 9000 angestiegen - 4555 Menschen sind gestorben.

(RP)
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